Almprodukte: Differenzierung und Qualitätssicherung

Fachworkshop des Netzwerks Zukunftsraum Land – Erfolgreiche Vermarktung Voraussetzung für Erhaltung der Almen

Themenbereich
Land & Forst
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Innovation

08.11.2017

Eine klare rechtliche Abgrenzung, Qualitätssicherung und Markenaufbau sind die zentralen Herausforderungen der Vermarktung von Berg- und Almprodukten. Erfolgreiche Geschäftsmodelle basieren auf der Unverwechselbarkeit der Produkte und einer erfolgreichen Kommunikation des Mehrwerts, so der Tenor eines Expertinnen und Expertenworkshops des Netzwerks Zukunftsraum Land am Dienstag (7. November) in Innsbruck.

Die erfolgreiche Vermarktung der Produkte ist die Voraussetzung für den dauerhaften Erhalt der mehr als 8.000 österreichischen Almen, die in den Sommermonaten von 313.000 Rindern, 8.800 Pferden, 109.000 Schafen und 10.000 Ziegen bevölkert werden. Im Vergleich zur Gesamtproduktion von 3,2 Millionen Tonnen spielen die 65.000 Tonnen Almmilch eine untergeordnete Rolle. Derzeit leidet diese Nischenproduktion unter einer mangelnden Abgrenzung gegenüber der herkömmlichen Produktion, so Gottfried Rettenegger von der Arbeitsgruppe Almprodukte der Almwirtschaft Österreich bei der Netzwerk-Veranstaltung.

Ziele der Almbauern sind eine klare Abgrenzung der Almprodukte sowie ein österreichweites gemeinsames Marketing. Rechtlich stützt sich das Anliegen auf die EU-Qualitätsverordnung 2012, die für „Bergerzeugnisse“ vorsieht, dass sowohl der Rohstoff als auch das Futter für die Nutztiere überwiegend aus dem Berggebiet kommen müssen. „Bei Verarbeitungserzeugnissen muss auch die Verarbeitung im Berggebiet erfolgen“, so Christian Jochum von der Landwirtschaftskammer Österreich. Die Kontrolle erfolgt durch den Mitgliedsstaat. In Österreich regelt der Lebensmittelcodex im Kapitel A5 die „täuschungsfreie Verwendung von Angaben mit Bezug auf Berg/Alm/Alpen und die Abgrenzung zur Qualitätsangabe Bergerzeugnis, so Jochum.

Über die komplexen Mechanismen im Marketing referierte Martin Gressl von der AMA-Marketing GmbH. „Die wertsteigernden Merkmale oder Eigenschaften von Lebensmitteln aus Berggebieten können mit dem AMA-Gütesiegel bekannter gemacht werden“, betonte Gressl bei der Veranstaltung des Netzwerks Zukunftsraum Land. Mit einer mehrstufigen Herkunfts- und Qualitätssicherung gelte es, das Vertrauen der Konsumenten aufzubauen: „Wo Berg draufsteht, muss Berg drin sein, wir müssen den Begriff positiv aufladen“, so Gressl. Die AMA-Marketing GmbH, die viele Qualitätsprogramme betreut, könne die spezifischen Anforderungen „mitkontrollieren“.

Fünf Geschäftsmodelle

Mit fünf Einzelbeispielen wurde dargestellt, wie die Vermarktung in der Praxis funktioniert:

  • Firma Rupp: Der Vorarlberger Vermarktungsprofi Rupp vertreibt jährlich ca. 50.000 Tonnen Käse, 90 Prozent davon im Export. Bei der Produktaufbringung kooperiert er u.a. mit rund 30 Sennereien und Molkereien sowie 80 Alpen im Ländle. Um keine Verwirrung bei der Kennzeichnung aufkommen zu lassen, fokussiert sich das Unternehmen auf die Gütesiegel „Heumilch“ und „Geschützte Ursprungsbezeichnung“. „Auf den Märkten gilt es, als erste Hürde die Handelspartner zu gewinnen und als zweite Hürde die Konsumenten“, erklärte Daniel Marte von der RUPP-AG.

  • Erlebnissennerei Zillertal:  Die Schaukäserei wurde 2001 in Betrieb genommen und 2015 mit einem Schaubauernhof ergänzt. Der Erlebnisrundgang ist mit einem Shop und einer professionellen Gastronomie kombiniert. Rund 70.000 Gäste und Einheimische besuchen jährlich den Betrieb, der 20 Millionen Liter (Heu)milch, davon bereits 2,5 Millionen Liter Ziegen- und Schafmilch zu 50 verschiedenen Produkten verarbeitet. Mit der eigenen Almmilch, abgefüllt in einer Dreiviertelliterpackung (Kooperation mit Agrarmarketing Tirol), ist die Erlebnissennerei bereits das zweite Jahr national gelistet. Klare Produktionsrichtlinien und eine Zertifizierung sind laut Juniorchef Christian Kröll die Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.

  • Kärntner Almochs: Mit dem Markenprogramm „unser Kärntner Fleisch“ schließt die bäuerliche Vermarktungsgenossenschaft an die Tradition der Sechzigerjahre mit Produktionsmengen von damals ca. 7.000 Ochsen an. Durch den Preisverfall sind die Mengen dramatisch gefallen. Nach dem Neustart 1990 wurden verbindliche Produktions- und Vermarktungsrichtlinien beschlossen, betonte Josef Fradler von der BVG Kärntner Fleisch. „Kärntner Almochsen“ sind zwei- bis dreijährige Ochsen mit einer garantiert geschlossenen Vermarktungskette. Seit 2014 hat sich die Zahl der vermarkteten Tiere von knapp 400 auf rund 1.100 erhöht. Wegen der besseren Qualität und spezifischen Auslobung ist im Export die Auslobung als EU-Bergerzeugnis immer wichtiger.

  •  Ländle Alpschwein: Das Ländle Alpschwein wird unter der Marke „Ländle Produkte – I luag druf“ nach dem 3 G Herkunftsprinzip als Gütesiegelprogramm vermarktet. „Das Programm läuft seit 2001, 25 bis 30 Sennalpen machen mit 550 bis 650 Schweinen pro Jahr mit“, erklärte Othmar Bereuter bei der Veranstaltung in Innsbruck. Partner sind der Almwirtschaftsverein, LVV und der Handel (Spar, REWE-Sutterlüty und acht Ländle-Metzgereien). Obwohl der Preis mit 2,43 € im Vergleich zum Börsenpreis (1,63 €) deutlich höher ist, reagieren die Alpen aufgrund der Auflagen und der Kontrollen zurückhaltend, so Bereuter.

  •  Projekt Almleben Tirol: Die Agrarmarketing Tirol betreut seit dem Jahr 1989 Qualitätsfleischprogramme (Grauvieh Almochs, Jahrling, Almschwein, Berglamm und Tiroler AlmRind – in Planung). Das Almmilchprojekt wurde 2016 gemeinsam mit der Erlebnissennerei Zillertal gestartet. Die Sammelroute umfasst ca. 50 Almen im hinteren Zillertal. Die Milch wird in Dreiviertelliterpackungen abgefüllt und ist bei Spar und Billa erhältlich. Parallel läuft das Projekt „Almleben“, an dem 33 von 50 Almen, die Käse produzieren, teilnehmen. Durch Qualitätssicherungs- und Vermarktungsinitiativen konnten bei allen Sorten Preissteigerungen von mehr als einem Viertel realisiert werden, der erzielte Mehrpreis beträgt ca. eine Million Euro, berichtete Wendelin Juen von der Agrarmarketing Tirol.

Über das Programm für Ländliche Entwicklung LE 14–20 wird die Modernisierung der Produktion im Alm- und Berggebiet vor allem über die Förderung von Investitionen und Vermarktungsinitiativen unterstützt. Zudem kümmert sich der über das Programm finanzierte „Serviceverein geschützte Herkunftsbezeichnungen für Lebensmittel“ SVGH um alle Fragen der rechtlichen Absicherung und des Marktauftrittes. Zur Gesamtstrategie zählen auch die Förderung des Heumilch-Markenaufbaus und der Brückenschlag hin zur Gastronomie über das Netzwerk Kulinarik.