Diskussion: LEADER und Multifondsansatz am Beispiel Tirol - ein Modell für die Zukunft?

Themenbereich
Leader & Regionen

21.02.2018

Günter Salchner, der Autor dieses Beitrags ist Regionalmanager der REA-Regionalentwicklung Außerfern und Mitglied einer Reflexionsgruppe des Europäischen Netzwerks für ländliche Entwicklung.

Die alten Hasen können sich noch erinnern. In der Periode 1995-1999 speisten sich die LEADER II Programme noch aus mehreren Europäischen Fonds. Der damalige Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft/Abteilung Ausrichtung, der Europäische Sozialfonds und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung finanzierten das „Labor zur Entwicklung innovativer Lösungen für den ländlichen Raum“, wie LEADER damals gerne betitelt wurde. Das Sagen dabei hatten freilich die DG Agri auf Europäischer und die Landwirtschaftsressorts auf nationaler Ebene. Mit der anschließenden LEADER+ Periode war dieser frühe Multi-Fonds-Ansatz auch schon wieder Geschichte. Was war passiert? Frägt man die alten Hasen, lautet die Antwort stets: unüberwindbares Ressort-Denken, politische Konkurrenzstellungen und der fehlende Blick aufs große Ganze.

Für die Periode LE 2014-2020 wagte die EU-Kommission einen neuen Anlauf. Unter dem neuen Schlagwort Community Led Local Development (CLLD) sollte der LEADER-Ansatz nicht nur auf städtische Gebiete ausgedehnt, sondern auch von allen ESI-Fonds (Europäische Struktur- und Investitionsfonds) getragen werden. In 20 von 28 Mitgliedsstaaten findet man heute die eine oder andere Multi-Fondsvariante. Klingt nach Erfolg. Schaut man genauer hin, relativiert sich das Bild. Am Ende sind es nur 10 Prozent der rund 2.600 LAGs, die damit arbeiten, oft auch damit kämpfen. Denn mittlerweile steckt nicht nur die vertikale, sondern auch die horizontale Politikintegration in der Komplexitätsfalle. Die mehrere 100 Seiten starken Multi-Fonds-Entwicklungsstrategien der tschechischen LAGs sind hierfür nur eines von vielen Zeugnissen. Dabei wäre die Bündelung der ESI-Fonds eine riesige Chance, um LEADER vom Anhängsel des Mainstreams zu dem zu machen, was es sein muss, um seine volle Wirksamkeit zu entfalten: ein von lokalen Akteuren getragener, auf Innovation basierender, ganzheitlicher Entwicklungsansatz.

Wie könnte es funktionieren? Der Tiroler Weg weist in die richtige Richtung. Als einziges Bundesland setzt Tirol auf den CLLD-Ansatz. Die LAG Managements arbeiten nach dem One-stop-Shop-Prinzip. Es gibt keine Parallelstrukturen. Bei der Umsetzung der Entwicklungsstrategien kommen auch der EFRE über das IWB-Programm und das Interreg-Programm Italien-Österreich zum Einsatz. Das Interreg Bayern-Programm und der ESF fehlen, zweifelsohne ein Wehrmutstropfen. In vier der acht LAGs verstärken Sonderförderprogramme des Landes die Entwicklung. Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung greifen ineinander.

Der multisektorale Ansatz der LAGs ist gespiegelt auf Verwaltungsebene. Fondsübergreifend hat jedes Management seinen Ansprechpartner in der Abteilung Landesentwicklung und Zukunftsstrategie. Die Zusammenarbeit von Land und Regionen erfolgt auf Augenhöhe. CLLD bestärkt dieses Modell, gänzlich neu ist es nicht. Es folgt den Ergebnissen der großen Europäischen Konferenzen für den ländlichen Raum Cork 1 (1996), Salzburg (2003) und Cork 2 (2016). Demnach ist Landwirtschaft nur einer von mehreren Sektoren. Die Entwicklung des ländlichen Raums ist ganzheitlich anzugehen.

Für die Zukunft lautet der Tiroler Vorschlag daher: Raus aus dem Mainstream. LEADER sollte wieder eigens programmiert werden. Der Multi-Fondsansatz gehört verstärkt durch eine substanzielle nationale Kofinanzierung. Ein höheres Engagement Österreichs legitimiert wiederum ein Prüfverfahren allein nach nationalen Regeln, was wiederum Voraussetzung für eine echte Vereinfachung ist. Sind die Tiroler mit ihrem Vorschlag nun Revoluzzer? Auf den ersten Blick vielleicht ja. Auf den zweiten verfolgen sie nur konsequent weiter, was andernorts bereits gedacht wurde: in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2016 zu neuen Instrumenten für die territoriale Entwicklung im Rahmen der Kohäsionspolitik 2014-2020, in der Empfehlung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu den Vorteilen einer von der Bevölkerung betriebenen integrierten Entwicklung und in der Tartu-Deklaration „Renewing LEADER/CLLD for 2020+“ der European LEADER Association for Rural Development. Come, let’s let LEADER do what it’s meant to do!