20 Jahre Gender Mainstreaming-Strategie des Bundes

Themenbereich
Innovation
Land & Forst
Leader & Regionen
Umwelt & Klima

23.11.2020

Katja Link: „Jeder Mensch ist einzigartig, das Geschlecht spielt dabei eine sehr nachrangige Rolle“

Katja Link ist stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.

Frau Link, vor zwanzig Jahren wurde die Gender-Mainstreaming-Strategie des Bundes auf den Weg gebracht – ein Meilenstein in der Geschichte der Gleichbehandlung?
Unbedingt. Vereinfacht gesagt geht es bei der Strategie von Gender Mainstreaming darum, bei allen Entscheidungen die Auswirkungen auf die Geschlechter im Blick zu haben und auf die Gleichstellung von Frauen und Männern hinzuarbeiten. Österreich hat sich über viele nationale und internationale Verträge sowieso dazu verpflichtet. Mit der Verankerung von Gender Mainstreaming in Politik und Verwaltung wurden hier aber gezielt Strukturen und Vorgaben geschaffen.

Was wurde bisher erreicht?
Es wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet, in der unter anderem alle Ressorts mit Ansprechpersonen vertreten sind, die den Gender Mainstreaming Prozess in ihrem jeweiligen Ministerium begleiten. Dazu wurde auch ein umfassendes Arbeitsprogramm mit Umsetzungsempfehlungen erstellt. Projekte, Schulungen, Leitfäden, Studien und Evaluationen zur Gleichstellungsthematik wurden durchgeführt beziehungsweise erstellt. Seit 2009 ist Gender Budgeting – die finanzpolitische Umsetzung von Gender Mainstreaming – in unserer Verfassung verankert. Damit gehört Österreich hier international zu den Vorreitern. In den Ressorts hat ein Kulturwandel stattgefunden, das Thema Gleichstellung hat heute einen völlig anderen Stellenwert als vor 20 Jahren.

Was ist noch zu tun für eine geschlechtergerechte Gesellschaft in Zukunft?
Im 20. Jahrhundert haben viele engagierte Frauen und Männer die Gleichberechtigung der Geschlechter enorm vorangebracht. In vielen Ländern sind Frauen heutzutage rechtlich besser abgesichert oder gleichgestellt. Es gibt heute sowohl für Frauen als auch für Männer mehr Wahlmöglichkeiten. Bis zu einer tatsächlichen Gleichberechtigung ist es aber auch in Österreich noch ein weiter Weg. Dabei müssen Veränderungen der strukturellen Rahmenbedingungen mit Veränderungen in den Köpfen der Menschen Hand in Hand gehen. Bei uns gibt es zum Beispiel kaum Väter in Karenz, in Island sind es über 80 Prozent. Dort sind einige Monate Karenz ausschließlich für die Väter reserviert, werden sie nicht genutzt, verfallen sie. Kümmern sich aber in einer Gesellschaft Eltern gleichermaßen um den Nachwuchs, ist es für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht mehr das „größere Risiko“, Frauen einzustellen, weil Männer ebenso bei ihren Kindern zuhause bleiben könnten. Eine gerechte Aufteilung der unbezahlten Arbeit ist also eine wesentliche Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Gesellschaft. Andere Baustellen sind Sexismus in verschiedensten Ausprägungen, hier geht es um das Aufbrechen von Stereotypen und den Abbau von Diskriminierungen bis hin zur Verhinderung von Gewalt. Letztendlich geht es auch darum, zu erkennen, wie einzigartig jeder Mensch in seinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Bedürfnissen ist, und dass Geschlecht hier nur eine sehr nachrangige Rolle spielt – wenn überhaupt.

Veronika Madner: „Den ländlichen Raum für Frauen attraktiv erhalten“

Veronika Madner ist stellvertretende Leiterin der Abteilung „Koordination Ländliche Entwicklung und Fischereifonds“ im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.

Frau Madner, die Gleichstellung ist ein wichtiger Bestandteil im Programm für ländliche Entwicklung: Wie wurde dieser Bereich in der LE 14–20 berücksichtigt?
Im Rahmen des Programms LE 14–20 wurde das Thema Gleichstellung als Querschnittsthema im Zuge der Programmerstellung und Programmumsetzung festgelegt. Es wurde versucht, bei der Maßnahmengestaltung und bei den Auswahlkriterien bestmöglich darauf Rücksicht zu nehmen. Eine entsprechend dazu durchgeführte Evaluierungsstudie hat gezeigt, dass insbesondere im Bereich Wissenstransfer und LEADER schon viel getan wird. In anderen Programmbereichen gibt es allerdings noch Verbesserungsmöglichkeiten. Dies wollen wir uns für die zukünftige Periode genauer ansehen.
 
2017 wurde für diese Thematik eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt. Welche Ergebnisse liegen vor beziehungsweise was wurde umgesetzt?
Wir haben im Jahr 2017 im Rahmen des Begleitausschusses des Programms LE 14–20 eine Arbeitsgruppe zum Thema „Gleichstellung von Frauen und Männern und Chancengleichheit im ländlichen Raum“ eingerichtet, welche konkrete Maßnahmen erarbeitete. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgte vorrangig durch das Netzwerk Zukunftsraum Land und war für den Zeitraum 2018–2020 vorgesehen. Der Großteil der vorgeschlagenen Maßnahmen wurde schon umgesetzt und leistet auch einen wichtigen Beitrag für die Planungen der zukünftigen Förderperiode. Für mich persönlich waren der Workshop zum Thema „Gründen am Land – Auf zu neuen Wegen“ und die Erarbeitung des Erklärvideos zum Thema „Gender Mainstreaming“  zwei besonders gelungene Maßnahmen.
Auch die Evaluierungsstudie zum Thema Gleichstellung im laufenden LE–Programm hat wichtige Ergebnisse geliefert, welche vor allem auch für die zukünftige Programmperiode relevant sind.
 
Die Planungen für die nächste Periode laufen intensiv. Welchen Platz nimmt darin Gender Mainstreaming ein?
Das Thema Geschlechtergleichstellung wurde sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament in den Rechtsgrundlagen bei den neun spezifischen Zielen der GAP ergänzt.
Es ist wichtig, dass wir gleiche Chancen für alle Menschen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum schaffen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Lebensphase. Gerade wenn es darum geht, ländliche Räume – insbesondere auch für junge Frauen – attraktiv zu halten, ist die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, die Bereitstellung von Basisinfrastruktur und insbesondere Betreuungseinrichtungen von großer Bedeutung.
Wir sind deshalb bemüht, das Thema bestmöglich im zukünftigen GAP-Strategieplan zu verankern. Insbesondere im Rahmen der ländlichen Entwicklung gibt es bei den Maßnahmen gute Ansätze. Zusätzlich möchten wir auch darauf achten, dass bei der Besetzung von Gremien oder auch bei Veranstaltungen die Ausgewogenheit der Geschlechter berücksichtigt wird.
Abschließend möchte ich jedoch erwähnen, dass klar ist, dass der GAP-Strategieplan ein Instrument unter vielen ist und wir nur durch das Zusammenspiel von unterschiedlichen Instrumenten und Akteurinnen und Akteure die Gleichstellung gemeinsam vorantreiben können.