Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes: LEADER in Österreich top, in Europa flop?

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18.08.2022

LEADER in Österreich: Die Anregungen des Europäischen Rechnungshofs kritisch analysieren

Wolfgang Löberbauer, LEADER-verantwortliche Landesstelle (LVL) Oberösterreich

LEADER ist ein inzwischen seit 30 Jahren praktiziertes Modell, das sich zum Ziel gesetzt hat, die lokale Bevölkerung bei der strategischen Ausrichtung der Region, der Auswahl von Projekten und der Vergabe von Fördermitteln einzubeziehen. Zum zweiten Mal hat sich der Europäische Rechnungshof nun mit dem Zusatznutzen dieses lokalen Engagements im Rahmen von LEADER beschäftigt. Nach einem Sonderbericht 2010 wurde im Juli 2022 nach Prüfungen in mehreren Mitgliedsstaaten ein weiterer Bericht vorgelegt, der sich mit diesem Thema und den Fortschritten und Änderungen gegenüber 2010 beschäftigte.

Die Prüfung von LEADER erfolgte auch in Österreich und im EU-weiten Vergleich kann man mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein. In zwei von drei Fragen, die in Österreich untersucht wurden, sah der Rechnungshof seine Kriterien als voll erfüllt an. Dies betraf einerseits die Risikoprävention und die Angemessenheit der Kosten auf der Verwaltungsebene und anderseits auf Ebene der Lokalen Aktionsgruppe (LAG). Das heißt, dass der Rechnungshof die transparente, richtlinienbasierte und objektive Fördermittelvergabe in Österreich für korrekt und gut befunden hat. Die dritte Prüffrage beschäftigte sich damit, inwieweit durch LEADER ein Mehrwert erzielt wird. Diese Frage wurde für Österreich mit teilweise erfüllt beurteilt und auch EU-weit hat der Rechnungshof Zweifel daran geäußert, ob ein Mehrwert von LEADER ausreichend erkennbar ist.

Was ist nun dieser Mehrwert? Der Mehrwert von LEADER soll die Aktivierung der ländlichen Bevölkerung sein. Diese soll nicht nur über den Einsatz eines eines bestimmten Teils an Fördermittel zur Entwicklung des ländlichen Raums entscheiden, sondern es soll insgesamt eine Stärkung der Zivilgesellschaft stattfinden. LEADER soll ein Nukleus für soziale Innovation sein und regionale Governance-Strukturen forcieren. Nicht zuletzt soll die Initiative auch einen direkten Bezug der ländlichen Bevölkerung zur Europäischen Union schaffen. Die LEADER-Büros haben den Anspruch, in der jeweiligen Kleinregion eine erste Anlaufstelle für engagierte Bürgerinnen und Bürger zu sein und eine Drehscheibenfunktion im Bereich der Regionalentwicklung zu übernehmen.

Für Österreich hat der Rechnungshof diese Leistungen der LAGs durchaus anerkannt, kritisiert allgemein aber die mangelnde Belegbarkeit dieses Zusatznutzens sowie die zusätzlichen Kosten und den Verwaltungsaufwand durch die regionalen Strukturen.

Die Belegbarkeit ist sicherlich eine ständige Herausforderung. Mit welchem Indikator misst man Motivation? Welches Kriterium weist regionale Akzeptanz und Zustimmung zu Projekten nach? Welche Maßzahl gibt es für die Intensität der Vernetzung? Gerade wenn LEADER mehr ist als die Abwicklung des LEADER-Budgets und die Förderung einer begrenzten Anzahl von Projekten, ist dies nur schwer quantitativ darzustellen. Nichtsdestotrotz wird auf allen Ebenen von der EU-Kommission bis zu den LAGs versucht, neue Indikatoren zu finden. In Österreich wird in der neuen Periode ab 2023 das Indikatorensystem ganz neu konzipiert. Dennoch muss man sich eingestehen, dass quantitative Indikatoren den Mehrwert von LEADER nicht vollständig darstellen können.

Die zusätzlichen Kosten durch den LEADER-Ansatz entstehen vor allem auf Grund der professionellen Betreuung der Förderwerberinnen und -werber sowie der LAGs durch die LEADER-Büros in den Regionen. Auch dafür gilt: Die LEADER-Büros sind nicht die Förderabwicklungsstelle für LEADER-Projekte, sondern motivieren und informieren Ideengeberinnen und Ideengeber sowie Projektträgerinnen und Projektträger; sie vernetzen Akteurinnen und Akteure in der Region und darüber hinaus, greifen regionale Probleme aktiv auf und helfen dabei, Lösungswege zu entwickeln. Im LEADER-Budget ist der Anteil für diese Tätigkeit der LEADER-Büros EU-weit mit 25 Prozent gedeckelt. Das soll zu Recht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Projektförderung und Managementtätigkeit sicherstellen. Man sollte aber nicht dem Trugschluss erliegen, dass dies etwa einem Verwaltungskostenanteil entspricht.      

Im EU-weiten Vergleich hat Österreich beim Rechnungshofbericht zu LEADER sehr gut abgeschnitten. Dass der Mehrwert von LEADER vom Rechnungshof insgesamt nur zum Teil gesehen wird, ist ein wenig bedauerlich. Zugleich kann man aus dem Rechnungshofbericht aber auch wertvolle Lehren für die Zukunft ziehen: Stärkere thematische Fokussierung in den Regionen, Konzentration auf Innovation und Vermeidung der Förderung von Standardprojekten und Basisinfrastruktur, noch stärkere Einbeziehung von Frauen in die Entscheidungsprozesse und Vereinfachungsschritte in der Abwicklung sind Anregungen des Rechnungshofes, die in Österreich schon vor Veröffentlichung des Berichts für die neue Förderperiode ab 2023 aufgegriffen worden sind.
 

Es geht um viel mehr als um Fördermittel
Stefan Niedermoser, Obmann des LEADER forum Österreich
 
Im Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes zu LEADER werden die partizipative Beteiligung der regionalen Bevölkerung sowie der Fokus auf die regionalen Bedarfe und Handlungsfelder hervorgestrichen. LEADER wird als wesentlicher Baustein der ländlichen Entwicklung gesehen. Kritisiert wurde seitens des Rechnungshofes der Kosten-Nutzenfaktor und administrative Themen wie eine lange und komplizierte Verfahrensdauer oder das Fehlen eines repräsentativen Anteiles aller Bevölkerungsgruppen in regionalen Entscheidungsgremien.

Vorangestellt muss werden, dass knapp die Hälfte der europäischen Mitgliedsstaaten diese Prüfung durchlaufen haben, so auch Österreich. Der Bericht ist daher auch so zu verstehen, dass er die europäische Dimension betrachtet. Für Österreich stellt der Bericht in weiten Teilen ein sehr gutes Zeugnis aus.

Das zuständige Landwirtschaftsministerium hat in Zusammenarbeit mit den Landesstellen und den LEADER-Regionen in den letzten Jahren bereits viele Schritte gesetzt, um die kritisierten Punkte auszuräumen beziehungsweise zu minimieren. Nicht zuletzt deshalb ist die LEADER-Umsetzung in Österreich mittlerweile zu einem Vorbild für ganz Europa geworden. Eine Kooperationsmöglichkeit mit dem Europäischen Sozialfonds, die Integration des Smart-Village-Ansatzes, neue Interventionen im GAP-Strategieplan für regionale Herausforderungen (Innovation, Leerstand etc.) sowie die bessere Vernetzung von Klima- und Umweltagenden sind nur ein Ausdruck davon, dass LEADER in Österreich weit mehr ist als ein ländliches Finanzierungselement. Das kommt im Rechnungshofbericht zu kurz, da der Nutzen für die Regionen rein monetär anhand von LEADER-Fördergeldern bewertet wird.

Der Kritik an den hohen Verwaltungskosten in Relation zu den Ergebnissen muss entgegengetreten werden. Ein partizipativer Regionalentwicklungsansatz mit innovativen Projekten und ganz diversen Projektträgerinnen und -trägern ist weit mehr als eine reine Verwaltung. Dieser Aspekt wird ausgeblendet. Es gibt eine EU-weit festgesetzte Grenze an maximalen Verwaltungskosten und diese wird in Österreich überall eingehalten. Ein gutes Management bedarf professioneller Strukturen und qualifiziertem Personal. Von LEADER einerseits Innovation und die Bearbeitung von Zukunftstrends einzufordern und andererseits das Risiko auf Null zu minimieren, ist ein Widerspruch in sich. Auch die völlig verschiedenen Lohnniveaus in den geprüften Ländern werden außer Acht gelassen.

Anderen aufgeworfenen Punkten wurde bereits aktiv entgegengetreten. Ein neues Modell zum Wirkungsmonitoring wird die vielfältigen Leistungen und den Nutzen in den Regionen noch besser darstellen, die Geschlechterquote in den LEADER-Gremien wurde von mindestens einem Drittel auf 40 Prozent angehoben, die LEADER-Strukturen werden weiter professionalisiert sowie Schritte zur Vereinfachung gesetzt. LEADER wird in der neuen Periode 2023-2027 finanziell besser dotiert, es haben zu den 77 bestehenden sechs zusätzliche Regionen den Status als LEADER-Region beantragt, LEADER-Ansatzpunkte für thematische Themengebiete wurden ausgedehnt usw.. –dies sind alles Zeichen dafür, dass die handelnden Akteurinnen und Akteure und Regionen den tatsächlichen Wert des LEADER-Ansatzes zu schätzen wissen. Dennoch gibt es Punkte im Bericht, welche eine weitere Optimierung des LEADER-Ansatzes fordern, obwohl sich Österreich bereits auf einem sehr guten Weg befindet.

Zum Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes zu LEADER.