Tierische Schädlinge im Zuckerrübenanbau - Maßnahmen für den integrierten Pflanzenschutz

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15.09.2022

Aufbau von Erhebungs- und Regulierungsprogrammen zu ausgewählten tierischen Schädlingen im Zuckerrübenanbau in Österreich

Die Zuckerrübe ist in Österreich eine bedeutende Ackerkultur und ein wertvoller Bestandteil in vielen Fruchtfolgen. Aufgrund der sich ändernden klimatischen Bedingungen treten mittlerweile gehäuft Schaderreger wie der Rübenderbrüssler, der Rübenerdfloh und Blattläuse auf. Sie stellen landwirtschaftliche Betriebe vor große Probleme, da das Wissen zu Populationsverlauf und Verbreitungsdynamik noch lückenhaft ist und es keinen Warndienst für Rübenschädlinge gibt.

Die Europäische Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP-AGRI) verfolgt mit dem Innovationsprojekt ,,Rübenanbau‘‘ das Ziel, Maßnahmen für den integrierten Pflanzenschutz im Rübenanbau zu entwickeln. Es wird ein neues Warndienstsystem für die genannten Rübenschädlinge aufgebaut und die Begrünung mit Zwischenfrüchten zur Regulierung von Schaderregerpopulationen geprüft.

Im Rahmen des Innovationsprojekts werden dazu Methoden und Handlungsempfehlungen entwickelt, die es österreichischen Rübenbäuerinnen und -bauern ermöglichen, klimabedingt auftretenden Rübenschädlingen effektiv entgegenzutreten, ohne dabei auf Insektizide zurückgreifen zu müssen. Die Maßnahmen tragen dazu bei, die Ertragssicherheit durch Reduktion von Pflanzen- und Ertragsausfällen zu erhöhen und die Effizienz in der Produktion zu steigern. So wird der heimische Rübenanbau langfristig abgesichert und zukunftsfit gemacht. Die Zielgruppe des Projektes ist der gesamte österreichische Rübensektor, der aus über 6.000 Betrieben besteht. Von den Maßnahmen profitiert auch die österreichische Wirtschaft, denn nicht zuletzt werden durch den Erhalt der Zuckerrübenproduktion heimische Arbeitsplätze gesichert.

Netzwerk Zukunftsraum Land hat mit dem Projektkoordinator der Landwirtschaftskammer Niederösterreich Manfred Weinhappel und dem Landwirt Lorenz Mayr über ihre Erfahrungen und die erzielten Ergebnisse gesprochen.

Herr Weinhappel, welchen Problemstellungen stehen Landwirtinnen und Landwirte in Bezug auf tierische Schädlinge im Zuckerrübenanbau in Österreich gegenüber? 
Rübenerdfloh, Blattlausarten und natürlich allen voran der Rübenderbrüssler waren in den letzten Jahren massive Herausforderungen für die Rübenbäuerinnen und -bauern. Allen angesprochenen Schädlingen gemein ist, dass das konkrete Beobachten der Populationsstärke sowie Vorhersagen zur Populationsentwicklung für eine Risikoabschätzung im Zuckerrübenanbau notwendig sind. Da es diesbezüglich bis dato keine Erhebungs- beziehungsweise Monitoringprogramme gab, haben wir uns mit unseren Partnern, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit sowie dem AGRANA Research & Innovation Center entschlossen, dieses Projekt zu starten, um Bäuerinnen und Bauern entsprechende Werkzeuge in die Hand zu geben. Ziel ist es, das Risiko abzuschätzen, um die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit setzen zu können.

Worin sehen Sie das konkrete Potenzial von Erhebungs- und Regulierungsprogrammen zu ausgewählten tierischen Schädlingen im Zuckerrübenanbau?
Die Beobachtungsstellen für den Warndienst und das Derbrüssler-Monitoring sind sorgfältig über die Rübenanbaugebiete verteilt, so dass ein Überblick über die Schädlingspopulationen möglich ist. Und es ist ein Beobachtungssystem, in dem ausgewählte und geschulte Rübenbäuerinnen und -bauern Daten selbst erheben und ihre Ergebnisse in ein neu entwickeltes Datenverwaltungssystem einfließen lassen können. Über www.warndienst.at können die Rübenbäuerinnen und -bauern – de facto tagesaktuell – ablesen, was sich diesbezüglich in ihrer Anbauregion tut und ob konkrete Handlungen zu setzen sind. In den ersten beiden Saisonen waren mehr als 15.000 Zugriffe zu verzeichnen.

Sie koordinieren das EIP-Projekt „Rübenanbau“. Welche wesentlichen Erkenntnisse oder Empfehlungen aus dem Projekt können Sie bereits ableiten?
Im Projekt ist es gelungen, Warndienste für Rübenerdfloh und Blattlausarten aufzubauen und frei zugänglich für alle unter www.warndienst.at anzubieten. Für den Rübenderbrüssler wurde eine Methodik der Erfassung und der Darstellung in Monitoringkarten erarbeitet. Das kostet in der Entwicklung natürlich Zeit als auch Geld, welches im Projekt zur Verfügung stand. Aber auch der nachhaltige laufende Betrieb zum Fortbestand braucht Mittel. Die Herausforderung wird daher sein, wie der Weiterbetrieb der im Rahmen des Projekts entwickelten Erhebungs- und Regulierungsprogramme nachhaltig abgesichert werden kann.

Herr Mayr, Sie setzen gemeinsam mit der Operationellen Gruppe Rübenanbau das gleichnamige EIP-AGRI Projekt um. Was würden Sie als aktiver Landwirt im Projekt anderen Landwirtinnen und Landwirten raten?
Meine Empfehlung ist, sich das Schädlingsgeschehen bei der Zuckerrübe, vor allem auch mit den nun entwickelten Modellen genau anzusehen. Nur mit Monitoring und Warndienst verschwinden die Schädlinge zwar nicht, diese Werkzeuge helfen aber immens, die Befallslage und damit mein Risiko als Rübenanbauer einschätzen zu können.

Was können Sie sich schon jetzt aus dem Projekt mitnehmen? Was werden Sie auch langfristig behalten?
Ich betreibe auf meinem Betrieb schon lange und sehr intensiv Zwischenfruchtanbau, natürlich auch mit der Zuckerrübe. Daher war es naheliegend, dass ich mich im Projekt mit Zwischenfruchtanbau und der Beobachtung etwaiger Schädlinge beschäftigte und dadurch wieder viele Erfahrungen für die Praxis mitnehmen konnte. Vor allem aber war das Monitoring zum Rübenderbrüssler, welches für unser Gebiet nach drei schwierigen Jahren eine Entspannung zeigte, für meine Anbauentscheidung sehr wertvoll. Die Ergebnisse des Monitorings werde ich in den nächsten Jahren sicher wieder sehr genau beobachten.

Wie sind Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft und worin sehen Sie die größten Vorteile dieser Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, sowie dem AGRANA Research & Innovation Center war sehr bereichernd für mich. Ich bin aber überzeugt, dass es umgekehrt genauso der Fall ist. Wir als Praktiker können im Projektteam genau aufzeigen, wo der Schuh in der Praxis drückt und welche Lösungen wirklich praktikabel sind. Dies ist sicherlich ein Vorteil der EIP-Projekte, wo Praxis und Wissenschaft eng zusammenarbeiten.

Links und weiterführende Informationen finden Sie in der Projektdatenbank des Netzwerks Zukunftsraum Land.