Der Einkauf im Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen

Expertinnen- und Expertenworkshop des Netzwerks Zukunftsraum Land

Themenbereich
Land & Forst
Innovation

16.11.2016

Wie wirken sich die Veränderungen der Gesellschaft auf Konsum und Einkauf von Lebensmitteln aus? Mit dieser Frage setzte sich ein Expertinnen- und Expertenworkshop des Netzwerks Zukunftsraum Land am Freitag, 11. November 2016 in Wien auseinander. Das Ergebnis in Kürze: Weniger Kochen daheim, weniger, dafür größere Einkäufe, mehr Bio und Regionalität, das Internet spielt eine immer größer werdende Rolle. Hier die zusammengefassten Ergebnisse:

Die gesellschaftlichen Entwicklungen in Stichworten: Verstädterung, zunehmend höhere Bildungsstände, zunehmende Frauenerwerbstätigkeit, steigende Scheidungsraten, mehr Alleinerziehende, flexiblere und unregelmäßigere Arbeitszeiten, längere Arbeitswege, zunehmende Außerhausbetreuung von Kindern und Jugendlichen, Überalterung, zunehmender Stress insbesondere in der jüngeren Lebenswelt. Die Auswirkungen sind eine Entstrukturierung der Tagesabläufe, Abnahme geselliger Anlässe (Einladungen), sinkende Einkaufslust, kombiniert mit sinkender Einkaufsfrequenz sowie bewussterer Konsum und Druck auf vorgefertigte Produkte.

Die Rolle von Internet und Hauszustellung: Das Internet spielt eine immer größere Rolle. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung nutzen das Internet, viele mehrmals täglich. Die meistgenutzten Funktionen sind das Suchen nach den gewünschten Produkten und Dienstleistungen (67 % in den letzten sechs Monaten) und die Suche nach den besten Preisen. Bestellung im Internet und Hauszustellung sind mit einer Vielzahl offener Fragen verbunden, vor allem gibt es für die letzte Meile noch keine effizienten Lösungen. Auch ist die Übergabe der Produkte bzw. die Anwesenheit der Besteller eine kritische Hürde. Das neue Lebensmittel-Zustellangebot der Post AG – siehe Factbox  – wird wertvolle Informationen über die diesbezüglichen Entwicklungen bringen.

Das Kochen: Kochen ist beliebt, aber nicht mehr täglich. Alle diesbezüglichen Daten der RollAMA weisen rückläufige Zahlen auf. Das Ergebnis auf die Frage „ich koche eigentliche jeden Tag“ ist von 1994 bis 2013 von 61 Prozent auf 47 Prozent zurückgegangen. Als Gründe werden vor allem fehlende Zeit und kleine Haushalte angeführt. Alternativen sind die Zubereitung von Kaltem (von 34 auf 46 Prozent) und der Außerhausverzehr (26 auf 33 Prozent).

Der Außerhauskonsum: Laut Zahlen der Statistik Austria gibt der durchschnittliche Haushalt 353 € im Monat für Ernährung aus (10,5 %), zusätzlich 206 € (6,9 %) für Cafe- und Restaurantbesuche. Während die Ernährungsausgaben nur um 1,9 % gestiegen sind, sind die Kosten für Cafe- und Restaurantbesuche von 2010 auf 2015um 19,7 % gestiegen.

Megatrend Convenience: Vereinfacht formuliert wird unter Convenience die Einsparung von Zeit und Mühe verstanden. Hier handelt es sich um einen absoluten Megatrend. So hat etwa die Haltbarmilch ESL ihren Marktanteil zwischen 2005 und 2015 von 13 % auf 48,2 % steigern können. Das bewirkt auch, dass weniger oft eingekauft werden muss. Die Ausgaben für Fertiggerichte und Tiefkühlprodukte wachsen langsam, aber stetig. 2015 wurden im Lebensmittel-Einzelhandel Fertiggerichte mit einem Wert von 525 Millionen € verkauft (plus 1,3 % in fünf Jahren), Obst und Gemüse in Konserven sind um 5,5 % gewachsen (161 Mio. €). Vorportionierter Käse hat seinen Marktanteil von 10 % im Jahr 2000 auf 33,3 % 2015 gesteigert, der Verkauf an der Bedienungstheke hat sich in dieser Zeit auf ein Drittel reduziert.

Der Einkauf: Die Zunahme von Haltbarprodukten reduziert die Zahl der Einkäufe pro Jahr, sie ist von 2011 bis 2015 von 137,3 auf 129,5 zurückgegangen. Aktionen spielen zunehmend eine zentrale Rolle, ihr Anteil hat sich seit 2003 verdoppelt, hat sich aber in den letzten fünf Jahren bei einem Niveau von 22 % stabilisiert. Rund ein Viertel der Frischeprodukte wurde bei entsprechenden Aktionen gekauft, bei Fleisch ist der Aktionsanteil mit 34 % besonders hoch.

Bioprodukte und Regionalität: Regionalität, Bio und Saisonalität wird im Einkauf immer wichtiger, insbesondere bei den höher gebildeten Schichten (68 %). Bio hat seinen Anteil von 1997 bis 2015 von 2,7 auf 7,6 % mehr als verdoppelt, die Ausgaben für Bioprodukte sind zwischen 2011 und 2015 pro Haushalt von 93 auf 120 € gestiegen (+ 29%). Bio hat seine Stärken bei Milch, Gemüse und Eiern, die Schwächen liegen bei Fleisch und Wurst. Die regionale Herkunft wir in der Lebensmittelbranche als Top-Zukunftstrend gesehen, bei Umfragen, was bei Lebensmitteln wichtig ist, führt Regionalität mit großem Abstand. Für 72 % der Befragten bedeutet regional „den Umkreis des Orts, in dem ich lebe“. Die Stärkung der heimischen Landwirtschaft ist dabei eines der führenden Argumente.

Vegetarismus, Veganismus: Vegetarische bzw. vegane Ernährung wird von der Wissenschaft eher als Modeerscheinung mit unsicherer Entwicklung gesehen. In der Meinungsforschung schlägt sich Vegetarismus bei den empfehlenswerten Ernährungsformen mit 20 % bei Frauen und Höhergebildeten aber doch mit einem ansehnlichen Wert nieder, Veganismus liegt mit 4 % deutlich dahinter. Die RollAMA sieht Vegetarier/Veganer bei 5 % bei leichtem Wachstum, immerhin 16 % verzichten zeitweise auf den Fleischverzehr.

Kennzeichnung: Bei der Herkunftskennzeichnung fördert die Meinungsforschung ein heterogenes Bild zutage. Während 67 % Herkunftskennzeichnungen schon gesehen haben, geben 75 % an, dass sie Interesse an der Herkunft der Produkte haben, 24 % finden das uninteressant. Für eine verpflichtende Kennzeichnung sprechen sich nur 29 % aus, 70 % setzen auf die Freiwilligkeit.

Zukunftsthemen: Diese Themen werden die Lebensmittelwirtschaft in den nächsten Jahren beschäftigen: Onlinehandel – neue Chancen auch für Direktvermarkter; Stationärer Handel – Bewältigung der Gratwanderung zwischen Diskont und Erlebnis; Herkunfts- und Regionalitätskonzepte für Handel und Gastronomie; Qualität statt Quantität bei der Fleischvermarktung; Frische-Convenience (Produkte, Einkauf, Zubereitung); neue Ansätze in der Kommunikation (weniger Werbung, mehr Information, Glaubwürdigkeit).

Entwicklung der Haushaltsgrößen – von 2006 bis 2025
  • Ein-Personen-Haushalte: Zunahme von 1,2 Millionen auf 1,5 Millionen
  • Zwei-Personen-Haushalte: Zunahme von 1 Million auf 1,2 Millionen
  • Drei-Personen-Haushalte: Stagnieren bei 1,3 Millionen

Entwicklung der Altersstruktur – 2006 bis 2025:
  • Unter 30 Jahre: Abnahme von 2,8 auf 2,7 Millionen
  • 30 – 50 Jahre: Abnahme von 2,6 auf 2,3 Millionen
  • 50 – 65 Jahre: Zunahme von 1,5 auf 1,9 Jahre
  • Ab 65 Jahre: Zunahme von 1,4 auf 1,9 Millionen

Post: 100.000 Boxen 2016, Vervielfachung 2017

Die Österreichische Post AG stellt seit 2015 Lebensmittel in Kühlboxen österreichweit innerhalb 24 Stunden zu. Dabei arbeitet sie mit steirischen und oberösterreichischen Bauern und Direktvermarktern zusammen. Der Webshop wird von einem Spezialisten betreut, die Post stellt die Logistik. Im laufenden Jahr wurden bis September bereits rund 100.000 Kühlboxen (48 Stunden Frischegarantie) zugestellt, für 2017 wird aufgrund der laufenden Projekte eine Vervielfachung der Mengen erwartet. Weitere Informationen unter

Projekt Steiermark: www.genuss-abhof.at
Projekt Oberösterreich: www.gustino.kaufen