Quantitative Absicherung der niederösterreichischen Habichtskauzpopulation

Themenbereich
Umwelt, Biodiversität, Naturschutz

Untergliederung
Naturschutz
Biodiversität

Projektregion
Niederösterreich

LE-Periode
LE 14–20

Projektlaufzeit
2018-2021

Projektkosten gesamt
227.210,80€

Fördersumme aus LE 14-20
226.819,10€

Massnahme
Basisdienstleistungen und Dorferneuerung in ländlichen Gebieten

Teilmassnahme
7.6 Förderung für Studien und Investitionen im Zusammenhang mit der Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung des kulturellen und natürlichen Erbes von Dörfern, ländlichen Landschaften und Gebieten mit hohem Naturwert, einschließlich der dazugehörigen sozioökonomischen Aspekte, sowie Maßnahmen zur Förderung des Umweltbewusstseins

Vorhabensart
7.6.1. a) L Studien und Investitionen zur Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung des natürlichen Erbes - Naturschutz

Projektträger
Veterinärmedizinische Universität Wien

Kurzbeschreibung

In den Jahren 2009-2017 konnten zwei "Populations-Keimzellen" des Habichtskauzes aufgebaut werden. Damit entwickelte sich das Projekt zu einem Best Practice Beispiel für den niederösterreichischen Artenschutz. Internationale Eulenexpertinnen und -experten sind der Ansicht, dass für die zahlenmäßige Absicherung eines neu etablierten Bestandes zweimal 30 besetzte Reviere erforderlich sind. Mit Ende 2017 lassen sich in beiden beteiligten Teilgebieten je rund 15 Reviere nachweisen. Das bisherige Reproduktionsgeschehen lässt je nach Mausgradationen ab nun ein rascheres Wachstum erwarten.

Beim gegenständlichen Projekt stehen zwei neue Schwerpunkte im Vordergrund:
Erstmals wird es möglich auch im Freiland geborene Jungvögel zu besendern und dadurch Vergleiche zu freigelassene Vögel zu ziehen. Zusätzlich wird eine ausführliche qualitative Analyse der genetischen Variabilität des neuerlich etablierten Habichtskauz-Vorkommens im Hinblick auf ein Freilassungsende vorgenommen.

Ausgangssituation

Der Habichtskauz ist die zweitgrößte Eule Mitteleuropas und galt spätestens seit den 1950er Jahren in Österreich als ausgestorben. Nach drei Jahren Vorlaufzeit, der Entwicklung eines nationalen Aktionsplans und dem Aufbau eines zentraleuropäischen Nachzucht-Netzwerks in menschlicher Obhut, wurden erstmals im Jahr 2009 junge Habichtskäuze in den beiden Projektgebieten im Biosphärenpark Wienerwald und im Wildnisgebiet am Dürrenstein freigelassen. Ausgeklügelte Methoden zur Kontrolle der überwiegend nachtaktiven Eulen wurden zwecks Erfolgskontrolle entwickelt. Mit Abschluss des vorhergehenden Projekts Anfang 2018 blickt man auf eine überaus erfolgreiche Entwicklung des Projekts zurück. Nicht einmal ein Jahrzehnt hat es gedauert bis sich zwei Populationskeimzellen mit jeweils rund 15 Revieren etablieren konnten. In beiden Projektgebieten konnte der Habichtskauz erneut Fuß fassen und spätestens seit dem Jahr 2011 auch wieder in Natur reproduzieren. Seither wurden im Freiland rund 30 Paarbildungen beobachtet und mindestens 115 Jungvögel wurden im Freiland flügge. Bis man von einem erfolgreichen Comeback der seltenen Eule sprechen kann, braucht es aber noch weiterer Bemühungen.

Unter Berücksichtigung der IUCN-Richtlinien („International Union for Conservation of Nature and Natural Resources “) für Ansiedlung und Wiederansiedlung von Wildtieren wurde in diesem Projekt auf eine gezielte Entnahme von Wildvögeln verzichtet. Alle Vögel entstammen Nachzuchten in menschlicher Obhut. Das schrittweise aufgebaute Zuchtnetzwerk umfasst derzeit renommierte Tiergärten und Wildparks, spezielle Zucht- und Pflegestationen für Eulen und Greifvögel sowie private Züchterinnen und Züchter. Voraussetzung für zielgerechte Verpaarungen im Zuchtstamm ist die kontinuierliche Erfassung aller Individuen in einem Zuchtbuch, wobei neben der Beringung der individuelle genetische Fingerprint von zunehmender Bedeutung ist. Dieser lässt auch nach der Freilassung der Käuze noch eine individuelle Zuordnung zu, ermöglicht in günstigen Fällen sogar Rückschlüsse auf die Eltern von im Freiland geborenen Jungkäuzen und ermöglicht auch die Bestätigung zugewanderter Wildvögel. Dieser Ansatz wird durch ein weit gestreutes Angebot von gegenwärtig mehreren hundert, speziellen Nistkästen ergänzt, um Neuansiedlungen dispergierender Käuze auch in größerer Distanz zum Freilassungsort zu erleichtern.

Ziele und Zielgruppen

Beim gegenständlichen Projekt handelt es sich um ein Wiederansiedlungsprojekt. Demnach profitieren in erster Linie der Habichtskauz und die Artenvielfalt von den gesetzten Maßnahmen. Begleitende Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit fördern die Bewusstseinsbildung der interessierten Öffentlichkeit.

Projektumsetzung und Maßnahmen

Das Wiederansiedelungsprojekt setzt seit Beginn der Schutzmaßnahmen auf ein breit angelegtes Portfolio verschiedener Methoden. Insbesondere kamen bisher erfreulich umfassend Monitoring-Methoden zum Einsatz. Mittlerweile konnten auf die am besten geeigneten Mittel zur Erfolgskontrolle fokussiert werden. Im Nachfolgenden werden die Methoden gegenständlichen Fördervorhabens aufgezählt.

Nachzucht und Freilassung von Habichtskäuzen
Die Maßnahmen umfassen die Leitung eines internationalen Zuchtnetzwerks und Führung des Zuchtbuchs basierend auf einer bereits vorhandenen Datenbank. Habichtskäuze werden gehalten und vermehrt, um sie darauffolgend im Freiland freilassen zu können. Die in menschlicher Obhut nachgezüchteten Habichtskäuze werden auf die beiden Freilassungsregionen Biosphärenpark Wienerwald und Wildnisgebiet Dürrenstein aufgeteilt. Nach dem Transfer werden die Vögel am Freilassungsplatz weiter versorgt und das Freilassungsgeschehen überwacht. 

Monitoring
Das Monitoring umfasst ein genetisches Monitroing, die Kontrolle und Wartung der Nisthilfen (Nisthilfen-Monitoring) und die Besenderung von Habichtskäuzen (Telemetrie). Mit diesen Maßnahmen kann die genetische Variabilität der Freilandpopulation überwacht werden. Das weiträumige Angebot langlebiger Nistkästen ermöglicht die jährliche Kontrolle jeweiliger Nutzung durch Habichtskäuze sowohl hinsichtlich allmählicher Arealausweitung als auch der Abhängigkeit der Brutaktivität von örtlichen Schwankungen des Beuteangebots. Durch die telemetrische Beobachtung freigelassener Käuze können Informationen zu Lebensraumnutzung und Arealausweitung gesammelt werden.

Bewusstseinsbildung
Dieses Modul umfasst die Ausweitung des Exkursionsangebotes und eine Fortsetzung der Schulung zur ehrenamtlichen Nistkastenkontrolleurin, sowie ganz allgemein begleitende Öffentlichkeitsarbeit zum niederösterreichischen Best Practice Artenschutzbeispiel „Habichtskauz“.

Ergebnisse und Wirkungen

Während der Projektlaufzeit konnten durch sorgsames Management des Zuchtnetzwerks 141 Jungvögel für Zucht- und Freilassung reproduziert werden, von denen 128 Vögel im Wienerwald und im Wildnisgebiet Dürrenstein freigelassen wurden.

Zwölf Jahre nach dem Beginn der Wiederansiedlung des Habichtskauzes in Österreich und nach mehrfacher Evaluierung kann ein positiver Trend hinsichtlich der Erhöhung der genetischen Diversität im Habichtskauz-Bestand verzeichnet werden. Dennoch wurde auch eine ungleichmäßige Repräsentation der zur Verfügung stehenden Founder-Individuen innerhalb der Freilandpopulation erkannt. Zukünftige Ziele werden deshalb darin bestehen gezielt Vögel besonders wertvoller und unterrepräsentierter genetischer Zuchtlinien zu züchten und freizulassen, um so eine weitere Erhöhung der genetischen Variabilität in der Freilandpopulation zu erreichen.

Die Jahre 2018 und 2020 waren Mäusemangeljahre und es kam zu keinen bzw. kaum erfolgreichen Bruten bei den Habichtskäuzen in beiden Projektgebieten. Diese ungünstige Situation spiegelte sich auch in den Brutzahlen der Waldkäuze wider. 2019 und 2021 war die Situation aufgrund von Buchsprengmasten in den Jahren 2018 und 2020 deutlich günstiger, sodass es zu erfolgreichen Bruten in beiden Habichtskauz-Teilpopulationen gekommen ist. Während in den Jahren 2019, 2020 und 2021 jeweils 50, 2 und 47 Jungkäuze aus Freilandbruten das Projektgebiet des Biosphärenpark Wienerwald bereicherten, waren es im Wildnisgebiet am Dürrenstein jeweils 9, 0 und 23 Jungkäuze, respektive. Während der Projektlaufzeit wurden 4 (2018), 4 (2019) und 3 (2020) Käuze besendert. Bei 10 der 11 Käuze handelte es sich um nachgezüchtete Habichtskäuze. Ein Wildvogel wurde besendert.

Die Bewusstseinsbildung war und ist nach wie vor ein wichtiger Teil des
Wiederansiedelungsprojekts. Dazu zählen nicht nur Vorträge, Infostände und Berichte in den Medien, sondern auch der direkte Kontakt zu interessierten Personen und deren Einbindung ins Projekt.

Erfahrung

Bei Wiederansiedelungen handelt es sich um komplexe Vorhaben, die jedoch durch entsprechende wissenschaftliche und naturschutzfachliche Begleitung die gewünschten Erfolge bringen kann. Die Einbeziehung unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure ist dabei ebenso von entscheidender Bedeutung.