Natürlich Second Hand – Umweltbildung im Netzwerk von Forschung und Naturschutz in Hohenau

Prämiert beim Netzwerk Land Kulturlandschaftspreis 2010

Themenbereich
Umwelt, Biodiversität, Naturschutz
Land- und Forstwirtschaft inkl. Wertschöpfungskette

Untergliederung
Bildung & Lebenslanges Lernen
Biodiversität
ÖPUL

Projektregion
Niederösterreich

LE-Periode
LE 07–13

Projektlaufzeit
2003

Projektträger
Verein Auring

LE 07–13 Angaben

Themenbereich (Untergliederung): ÖPUL und Umwelt (Bildung, Biodiversität, ÖPUL)
Maßnahme: M214

Kurzbeschreibung

Die March-Thaya-Auen weisen eine eindrucksvolle Biodiversität auf, viele gefährdete und geschützte Tier- und Pflanzenarten finden hier wertvolle Lebensräume. Durch die fehlende natürliche Flussdynamik verlanden diese Refugien aber zusehends. Um die negative Entwicklung lokal zu stoppen, gibt es Ersatzhabitate wie die vogel.schau.plätze Hohenau – Ringelsdorf mit dem „Kühlteich“ und den Anlandebecken, ehemalige Absatzbecken für den Rübenschlamm der Zuckerfabrik. Um die Pflege nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten und die Sicherung dieses Feuchtgebietes „aus Menschenhand“ kümmert sich der Verein AURING. Die Bewässerung der Becken mittels zwei leistungsstarker Pumpen sichert Lebensräume mit Eigenschaften, die die March in naturnahem Zustand erzeugte.
Die Bemühungen um den Erhalt dieser besonderen Kulturlandschaft bilden die Basis für die Öffentlichkeitsarbeit. Neben Vorträgen, Workshops und Exkursionen kommt der nachhaltigen Umweltbildung für Schulklassen eine bedeutende Rolle zu.

Ausgangssituation

Mit der Begradigung von March und Thaya verlor Niederösterreich den Lebensraum des unregulierten Tieflandflusses mit seiner Vielfalt an Feuchtstandorten und den damit verbundenen seltenen und gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Die langfristig wirksame Verschlechterung der Qualität des Gebietes führte zur Ausweisung der „Donau-March-Thaya-Auen“ als gefährdetes Ramsar-Gebiet. Zeitgleich bildeten sich Standorte auf den Absetzbecken der Zuckerfabrik Hohenau, die durch den hohen Nährstoffreichtum, die stetige Durchfeuchtung und die ausgeprägte Dynamik typische Elemente des unregulierten Tieflandflusses zeigten. Für viele Organismen dieses verschwindenden Lebensraumes entstand hier ein international bedeutendes Refugium. Durch die Schließung der Zuckerfabrik im Jahr 2006 änderten sich die Rahmenbedingungen am Standort Hohenau gravierend. Die folgenden Jahre waren durch Umbrüche und viele Unklarheiten über die Zukunft des Gebietes gekennzeichnet. Die Entwicklung der Wasserversorgung für die vogel.schau.plätze Hohenau – Ringelsdorf war die Folge dieser Entwicklungen und die einzig ersichtliche Möglichkeit zur Erhaltung dieses besonderen „Second-Hand Feuchtgebietes“.
Die einzigartige Chance, Forschung, Naturschutz und Umweltbildung in einer Einheit dem Alter der Gäste entsprechend anbieten zu können, bildete den Grundstein für das mittlerweile vielfältige ökopädagogische Angebot.

Ziele und Zielgruppen

• Erhaltung eines der wichtigsten niederösterreichischen Rast- und Brutplätze zahlreicher wassergebundener Vogelarten der Roten Liste sowie der EU-Vogelschutzrichtlinie.
• Besucherbetreuung zur Stärkung des Gebietes als Ziel für Naturtouristen und zur Erhöhung der öffentlichen Aufmerksamkeit, um auf diesem Wege zur Weiterentwicklung dieser besonderen Kulturlandschaft beizutragen.
• Kinder sollen beim AURING für die Leistungen der Natur begeistert werden. Sie lernen die Bedeutung eines „Second-Hand Lebensraums“ im ökologischen Gesamtgefüge kennen und schätzen, sie werben als MultiplikatorInnen für die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft.
• Eine ökologisch verträgliche Nutzung des ehemaligen Kühlteiches als Fischteich wird angestrebt.

Projektumsetzung und Maßnahmen

• Grundvoraussetzung für den Erhalt des Lebensraumes ist eine stabile Wasserversorgung der vogel.schau.plätze! Dafür notwendig war der Ankauf der Infrastruktur zur Bewässerung vom ehemaligen Bewirtschafter, der AGRANA–Zuckerfabrik - dies konnte Dank Unterstützung der Gemeinde Hohenau, die durch die langjährige Zusammenarbeit gestärkt, einen Großteil der Infrastruktur zur Bewässerung ankaufte und dem AURING zur Verfügung stellte, realisiert werden.
• Die hervorragende Kooperation zwischen den AURING-OrnithologInnenen beziehungsweise WissenschaftlerInnen sowie den ÖkopädagogInnen und der meist ehrenamtlich getätigte Einsatz vieler KollegInnen ermöglichten immer wieder die Umsetzung neuer Konzepte der Umweltbildung. Die praktischen Pflegemaßnahmen, die Artenvielfalt an den bewirtschafteten Becken und auch die Vogelberingung sind gerade für Kinderaugen gut sichtbar.
• Eine enge Kooperation gibt es zudem mit dem Regionalverband March-Thaya-Auen, der die Angebote des Vereins mitbewirbt. Verschiedene Radwege wie der Kamp-Thaya-March-Radweg führen durch das Projektgebiet und Anfang Juni wird hier ein „Natura Trail“ (der Naturfreunde Internationale und Naturschutzbund NÖ) eröffnet.
• Das im Sommer 2008 in Eigenarbeit fertig gestellte AURING-Haus bietet die räumlichen Möglichkeiten, um mit einem attraktiven und interaktiven Programm Gäste zu begeistern und bietet als Infozentrum eine wichtige Anlaufstelle für Besucher der Region.
• Etablierung einer lokalen Kindergruppe – die önj-AURING-Hüpfer. In Kooperation mit der Österreichischen Naturschutzjugend (önj) wurde sie 2007 ins Leben gerufen; Kinder im Alter von 8-15 Jahren erforschen und erleben seitdem regelmäßig die vielfältigen Lebensräume der vogel.schau.plätze.
• Im letzten Jahr ist der AURING dem Verein Bernsteinstraße beigetreten. Von Mai bis Oktober gibt es einmal im Monat ein spezielles Kinder-Programm.
• Öffentlichkeitsarbeit (Info-Folder, Radio- und Fernsehbeiträge Beiträge in Printmedien, Infostände bei Veranstaltungen wie den Artenschutztagen in Schönbrunn, Vorträge (auch international) in Fachkreisen etc.

Ergebnisse und Wirkungen

• Das Projektgebiet gehört in seiner derzeitigen Ausprägung zu den wichtigsten Standorten für das Ramsar- bzw. Natura 2000-Gebiet „March-Thaya-Auen“. Seit dem Beginn der Aktivitäten des Vereins AURING im Jahr 1992 wurden hier bereits 240 verschiedene Vogelarten - ein österreichweiter Spitzenwert – nachgewiesen; auch 12 Amphibienarten sind in Hohenau heimisch.
• Die Beringungsstation liefert wichtige Daten zur Entwicklung der Singvogelbestände im Gebiet und wissenschaftliche Erkenntnisse über den Vogelzug.
• Die naturschutzrelevanten und ökopädagogischen Erfahrungen tragen im Rahmen der Umweltbildung dazu bei, neben den Naturtouristen (Belebung der heimischen Wirtschaft!) auch der lokalen Bevölkerung die „Natur vor der Haustür“ schmackhaft zu machen.

Erfahrung

Die ökologische Bedeutung und Entwicklung einer ehemals industriell genutzten Kulturlandschaft als ökologisch wertvolle Fläche ist österreichweit einzigartig. Derartige Projekte sind sonst lediglich aus Nord- und Nordostdeutschland, wie beispielsweise an den Rieselfeldern in Münster, bekannt. Auch die Zusammenarbeit mit der Firma Karpfen und Co. und die Etablierung einer den Vogelschutz berücksichtigenden Fischzucht hat in dieser Größenordnung Pioniercharakter. Durch die Betreibung der Beringungsstation besteht eine enge Verzahnung zwischen angewandtem Naturschutz, wissenschaftlicher Forschung und nachhaltiger Umweltbildung wie sie selten zu finden ist. Auch die enge Verbindung zur lokalen Bevölkerung in der ländlichen Region rund um Hohenau und der Bekanntheitsgrad des Vereins und seiner Tätigkeiten im gesamten March-Thaya-Raum sind bemerkenswert.