Wertschöpfung: Eine Kurzanalyse der Diversifizierung in der Landwirtschaft

Themenbereich
Innovation
Land & Forst
Umwelt & Klima
Leader & Regionen

16.05.2018

Im Gegensatz zu anderen Ländern in der Europäischen Union setzt die österreichische Land- und Forstwirtschaft seit Jahrzehnten auf die Entwicklung neuer Einkommensstandbeine außerhalb des agrarischen Kerngeschäftes. Zwischenzeitlich haben sich mit den von den Maschinenringen organisierten Dienstleistungsangeboten, mit Urlaub am Bauernhof und mit der Bioenergieerzeugung namhafte Sparten und bekannte Marken herausgebildet. Bei Green Care werden bäuerliche Betriebe für jene Menschen geöffnet, die vom Umgang mit Tieren, von Aktivitäten in Garten und Wald oder einfach von der Ruhe in ländlicher Umgebung. Wo steht die österreichische Diversifizierungspolitik zwischenzeitlich?

Die häufigste Form, zusätzliche Einkommen auf die Betriebe zu bringen, ist nach wie vor der Nebenerwerb. Rund 100.000 Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter bzw. ihre Partnerinnen und Partner gehen einer außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung nach. Damit gelingt es, eine Vielzahl von vor allem Klein- und Kleinstbetrieben im Sektor zu halten. Die klassische Diversifizierung wird vor allem von den 61.000 Betrieben getragen, die den überwiegenden Teil ihres Einkommens aus der Land- und Forstwirtschaft erwirtschaften.

Maschinenringe als Dienstleistungsprofis

In den 1970er Jahren wurde die Diversifizierung der heimischen Land- und Forstwirtschaft grundgelegt. Mit der Gründung von Landes- und Bundesverband begannen die Maschinenringe ihr Geschäft zu professionalisieren. Der Schritt auf den allgemeinen Markt erfolgte in den neunziger Jahren. 1995 wurde der Maschinenring-Service, 1996 die soziale Betriebshilfe und 1998 das Maschinenring-Personalservice gegründet. Damit standen Strukturen für ein vielfältiges Dienstleistungsangebot zur Verfügung, welches es im ländlichen Raum so noch nicht gab. Ausgehend vom Winterdienst wird heute fast alles angeboten, das der agrarischen Kompetenzanmutung entspricht: Grünraumpflege, Baummanagement, Gartengestaltung, Forstarbeiten, Bioenergie, Objektbetreuung, Kompostierungen, Deichgräberei u.a. Die mehr als 80 Maschinenringe einschließlich der Tochtergesellschaften zählen aktuell 75.000 Mitglieder. Davon sind rund 31.000 aktiv als Dienstleister tätig und mehr als 850 angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 2016 wurde ein Umsatz von 310,33 Millionen Euro erwirtschaftet. In der laufenden LE-Periode werden im Maschinenring-Cluster 30 spezialisierte Entwicklungsprojekte gefördert.

Urlaub am Bauernhof – bäuerlicher Player am Tourismusmarkt

Rund 9.900 Betriebe mit 113.000 Gästebetten bieten touristische Dienstleistungen an, sie stellen elf Prozent des gesamten touristischen Bettenangebotes Österreichs. Getragen wird die Angebotsentwicklung aber von den 2.300 Ferienbauernhöfen mit aktuell ca. 27.700 Gästebetten, die in den Verbänden organisiert sind. Über sie wird die gesamte Produkt- und Markenentwicklung gesteuert, deren Rückgrat die Förderung der Clusterprojekte im Programm LE 14-20 bildet. Mit 112 Vollbelegstagen und einem Durchschnittspreis von 37 € pro Person und Tag (Ferienwohnungen 88,30 €), gelingt den Mitgliedsbetrieben eine erfolgreiche Teilhabe an der touristischen Wertschöpfung. Die Tagesausgaben der Gäste auf den Bauernhöfen werden auf eine Milliarde Euro pro Jahr geschätzt, rund 500 Millionen davon verbleiben auf den Höfen und sichern laut Tourismuskennzahlen somit ca. 23.000 (Frauen)Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Auch die Anfänge von Urlaub am Bauernhof gehen mit der Gründung der ersten Gästeringe und Landesverbände auf die 1970er Jahre zurück. Mit der Gründung des Bundesverbandes im Jahr 1991 startete die strukturierte, österreichweite Zusammenarbeit.

2.500 Biomasse-Heizwerke

Mit 2.500 Biomasseheizwerken, die jährlich 4.600 GWh erneuerbare Energie produzieren, sowie mehr als 100 Biomasse-KWK-Anlagen kann der ländliche Energiesektor auf eine ansehnliche Bilanz verweisen. Auch wenn in den letzten Jahren aufgrund einer gewissen Marktsättigung und niedrigeren Preisen für fossile Energieträger eine Verlangsamung der Entwicklung festzustellen ist, wurden in der laufenden Periode des Programms LE 14-20 bereits 195 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 172,4 Millionen Euro und einem Förderungsbetrag von 53 Millionen Euro bewilligt. Neue Chancen tun sich vor allem im Hinblick auf die Energiewende auf; laut einem vom Umweltbundesamt errechneten „Szenario erneuerbare Energie 2030 und 2050“ kann Biomasse – bei einer entsprechenden Senkung des Energieverbrauchs – bereits 2030 Erdöl als bedeutendsten Energieträger ersetzen, ohne dabei an Nachhaltigkeitsgrenzen zu stoßen.

Green Care – Bauernhöfe öffnen sich für soziale Aufgaben

Die Green-Care-Vorhaben als jüngste Diversifizierungslinie der Landwirtschaft zielen darauf ab, die Ressourcen der Bauernhöfe für innovative soziale Dienstleistungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pflege und Betreuung sowie Arbeit und Beschäftigung zu erschließen und damit den bäuerlichen Familienbetrieben neue Chancen zu eröffnen. Nach Vorarbeiten ab dem Jahr 2011 wurde 2015 der Verein Green Care Österreich gegründet, der gemeinsam mit den neun Landwirtschaftskammern ein Kompetenznetzwerk für Beratung und Entwicklung aufbaut. 26 Betriebe sind bereits zertifiziert, weitere 123 Höfe erfüllen die Voraussetzungen für die Zertifizierung. Auch bei Green Care ist die Unterstützung durch das Programm LE 14-20 ein wesentlicher Entwicklungsmotor.