Biomasseverband: 10-Punkte-Programm gegen die Energiekrise

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17.05.2022

Interview mit Christoph Pfemeter, Geschäftsführer des Österreichischen Biomasseverbandes:

Herr Pfemeter, welchen Lösungsansatz verfolgt der Biomasse-Verband im Zusammenhang mit der aktuellen Zuspitzung auf den internationalen Energiemärkten?

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine führt in Verbindung mit der hohen Abhängigkeit Österreichs von Erdgas- und Erdöllieferungen aus Russland zu einer dramatischen Gefährdung unserer Energieversorgung. Fossiles Erdgas wurde immer wieder als Brückentechnologie positioniert, mittlerweile ist allen klar, dass diese Brücke gesprengt wurde. Es besteht dringender Handlungsbedarf zur bestmöglichen Nutzung unserer regional verfügbaren nachwachsenden Ressourcen. Eine zentrale Lösung des Problems wächst sprichwörtlich vor unserer Tür. Mit der Holzenergie haben wir die Möglichkeit, in allen Bereichen der Energienutzung noch einige ‚Scheite‘ nachzulegen. Das 10-Punkte-Programm verfolgt einen umfassenden Ansatz von der Rohstoffaktivierung bis hin zum klimaeffizienten Rohstoffeinsatz, quasi vom Wald bis zur Baustelle. 


Welchen Beitrag kann die Bioenergie leisten? 

Mit Hilfe der Holzenergie könnten innerhalb weniger Monate in vielen Teilbereichen Erdgas-Lücken gefüllt werden. Gelingt es, unsere heimischen Rohstoffe in Forst-, Land- und Abfallwirtschaft für den Gasausstieg zu mobilisieren, steht uns langfristig ein nachhaltig verfügbares Potenzial von 450 Petajoule Bioenergie zur Verfügung, das ist mehr, als in den Energiewendeszenarien benötigt wird. Die in den vergangenen Jahrzehnten aufgebauten Nutzungsrückstände im Wald (mehr als 250 Millionen Festmeter Holz) können zumindest teilweise abgebaut werden, um die Verbrauchsspitzen eines vorzeitigen Erdgasausstiegs abzudecken. Ein erstes realistisches Ziel wäre, die jährliche Holzernte in den nächsten Jahren um vier Millionen Festmeter zu steigern. Das 10-Punkte-Programm ist die Antwort auf die aktuellen globalen politischen und klimatischen Entwicklungen. Wird es umgesetzt, sinkt unsere Importabhängigkeit und steigt unsere Versorgungssicherheit.


Welche Bedeutung hat die Bioenergie für Österreich?

Aus Bioenergie wird mehr als die Hälfte der erneuerbaren Energie in Österreich, Europa und weltweit bereitgestellt. Holz ist unsere wichtigste inländische Energiequelle für Haushalte und die Industrie. Dank des Bioenergieausbaus kann Österreich auf Kohle- und Atomkraftwerke verzichten. Die installierte Leistung der Holzenergieanlagen, die an kalten Tagen für die Wärme- und Stromerzeugung abgerufen werden kann, beträgt rund 28 Gigawatt. Das entspricht einer Leistung von etwa 39 Atomkraftwerken der Marke Zwentendorf und übersteigt die Leistung sämtlicher in Österreich mittlerweile abgeschalteter Kohlekraftwerke. Holzbrennstoffe basieren auf Reststoffen und Koppelprodukten, die bei der Waldpflege und bei der Produktion von Holzprodukten anfallen. Für einen Kubikmeter verbautes Holz fallen sechs Kubikmeter Nebenprodukte an, die auch energetisch verwertet werden können. Die energetische Nutzung dieser Nebenprodukte generiert die mit Abstand höchsten Kohlendioxid-Einsparungen in der Nebenprodukte-Verwertung.

10-Punkte-Programm zum Ausstieg aus russischer Energieabhängigkeit