Operationelle Gruppe „Einkommenssteuerung“: Schwankungen besser einschätzen

Themenbereich
Innovation
Land & Forst
Leader & Regionen
Umwelt & Klima

16.06.2021

Die Einkommen in der österreichischen Landwirtschaft waren insbesondere in den letzten Jahren starken jährlichen Schwankungen ausgesetzt. Einige Betriebsformen sind mit solchen Situationen bereits vertraut, für andere ist dies neu und führt zu großer Unsicherheit. Die Unsicherheit über zu erwartende Kosten von Vorleistungen, Betriebsmitteln und Erlösen von verkauften Produkten trägt wesentlich zum Einkommensrisiko bei. Aus diesen Gründen ist es wichtig, intelligente, digitale Lösungen zu schaffen, die verschiedene Informationsquellen bündeln und aus denen sich die Auswirkungen der Entwicklungen auf den einzelnen Betrieb ableiten lassen.

Im Rahmen der Europäische Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP-AGRI) entwickelt die Operationelle Gruppe ‚,Einkommensstabilisierung‘‘ digitale Lösungen, welche die Betriebe bei der Entscheidungsfindung unterstützen sollen. Unterschiedliche Informationen und Daten werden gebündelt und dem landwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung gestellt. Dies sind verständlich aufbereitete Informationen zu Prognosen aus dem Agrarsektor oder auch der Angebots- und Nachfragesituation zu bestimmten Agrargütern. Zudem werden Ableitungen auf den Einzelbetrieb ermöglicht. 

Die entwickelten Lösungen stehen den österreichischen Bäuerinnen und Bauern kostenlos zur Verfügung. Der leichtere Zugang zu Informationen und Daten führt dazu, dass bessere betriebliche Entscheidungen getroffen werden können, die Unsicherheit in volatilen Märkten besser eingeschätzt werden kann und so auch die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt.

Netzwerk Zukunftsraum Land hat mit der Projektkoordinatorin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Frau Maria Wegerer und dem Landwirt Roland Weber über ihre Erfahrungen und die ersten Ergebnisse gesprochen.


An die Projektkoordinatorin:
Frau Wegerer, welchen Problemstellungen stehen Landwirtinnen und Landwirte heute in Bezug auf die Einkommensstabilisierung in der österreichischen Landwirtschaft gegenüber?

Die Einkommen in der österreichischen Landwirtschaft waren in den letzten Jahren sehr schwankend. Die Unsicherheit über die zu erwartenden Kosten von Vorleistungen bzw. Betriebsmitteln und Erlösen von verkauften Produkten trägt wesentlich zum Einkommensrisiko bei. Informationen zu Preis-, Angebots- und Nachfrageentwicklungen sowie Prognosen dazu sind für die einzelne Landwirtin beziehungsweise den einzelnen Landwirt nur sehr schwer zugänglich. Zudem ist es für viele bäuerlichen Unternehmerinnen und Unternehmer schwierig, derartige Informationen und deren Konsequenzen auf die eigene wirtschaftliche Situation umzulegen. 

Worin sehen Sie konkretes Potenzial zur Einkommensstabilisierung durch die Darstellung und Simulation von Erlösen und Kosten in Abhängigkeit von Preis- und Mengenänderungen in der österreichischen Landwirtschaft?
Im EIP-AGRI-Projekt werden dazu parallel mehrere Projektziele umgesetzt. Die bereitgestellten Daten und Werkzeuge sind als Unterstützung für betriebliche Entscheidungen gedacht.
Zum einen sollen vergangene und aktuelle Preisinformationen in eine webbasierte Preisinformationsanwendung zusammengefasst werden. Damit wird nahtlos von der Gegenwart ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen möglich.

Die Anwendung („Interaktive Deckungsbeiträge“) (IDB) wird erweitert und ermöglicht damit zum Beispiel Variantenvergleiche, flexible Betrachtungsräume und die Berechnung von Fruchtfolge-Deckungsbeiträgen möglich sind. Zusätzlich wird eine neue Methode entwickelt, welche die Auswirkungen von mittel- bis langfristigen Prognosen für Preise und für den biologischen Fortschritt auf das Einkommen quantifiziert. Die Ausgangsbasis bilden die Einkommenskennzahlen freiwillig buchführender Betriebe für den Grünen Bericht von ausgewählten Betriebsformen.   

Freiwillig buchführende Betriebe für den Grünen Bericht erhalten die Möglichkeit, in der Software „LBG Business Agrar Grüner Bericht“ einzelbetriebliche Einkommensprognosen zu ermitteln.

Sie koordinieren das Projekt „Einkommensstabilisierung“. Welche wesentlichen Erkenntnisse oder Empfehlungen aus dem Projekt können Sie bereits ableiten?
Mit den geplanten Projektergebnissen haben die Landwirtinnen und Landwirte die Möglichkeit bessere Informationen zur Marktorientierung und Marktbeteiligung zu erhalten und darauf zu reagieren. Einkommensentwicklungen können besser eingeschätzt werden und Maßnahmen gesetzt werden.



An den Landwirt: 
Herr Weber, Sie setzen mit der Operationellen Gruppe „Einkommensstabilisierung“ gemeinsam das gleichnamige EIP-AGRI Projekt um:
Auch wenn Landwirtschaft für viele auch Berufung ist: Sie ist Haupt- oder Nebenerwerb und damit ist es wichtig, mit dem Betriebszweig Geld zu verdienen. Dazu muss man seine betrieblichen Kennzahlen kennen. Auch wenn es natürlich Aufwand bedeutet, diese Zahlen Jahr für Jahr zu erheben. 

Die neue Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wird gewisse Weichen für die nächsten Jahre stellen, da muss jede und jeder Einzelne selbstverantwortlich prüfen, was das für den eigenen Betrieb bedeutet und welche Maßnahmen sich daraus ableiten lassen. Vielleicht ergeben sich daraus ja auch neue Chancen den Betrieb weiter zu entwickeln? 

Was können Sie sich schon jetzt aus dem Projekt mitnehmen? Was werden Sie langfristig beibehalten?
Die Arbeit mit den betrieblichen Zahlen habe ich quasi vererbt bekommen. Ich kann auf detaillierte Zahlen aus fast 50 Jahren zurückblicken. Aber genau das ist der Punkt, diese alten Zahlen helfen mir nichts. Ich lebe im Heute und trage die Verantwortung für meine Zukunft und die meines Betriebes. Den Blick Richtung Zukunft zu richten, auch die Chancen zu sehen und nicht nur die Risiken, das ist eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt. Aber Entscheidungen über die weitere Entwicklung am Betrieb brauchen belastbare Zahlen. Eine Ackerbäuerin beziehungsweise ein Ackerbauer muss jährlich die Entscheidung treffen auf welche Früchte gesetzt werden soll. Bei Investitionen in Gebäude oder dergleichen muss der Planungshorizont natürlich ungleich weiter gefasst werden. Die Landwirtin beziehungsweise den Landwirt dabei zu unterstützen, ist Ziel des Projektes. 


Wie sind Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft und worin sehen Sie die größten Vorteile dieser Zusammenarbeit?
Es ist sehr spannend die unterschiedlichen Sichtweisen der Mitglieder der interdisziplinären Teams auf die einzelnen Themen zu verstehen. Man nimmt für sich persönlich viel mit, versetzt sich in die Lage der Anderen und reflektiert Aussagen unweigerlich gleich auf den eigenen Betrieb.



Links und weiterführende Informationen finden Sie in der Projektdatenbank des Netzwerks Zukunftsraum Land unter: https://www.zukunftsraumland.at/projekte/2431