„VIELFALT VERBINDET – ÖPUL-Modellregionen und Modellbetriebe für Biodiversität und Klimaschutz auf der Fläche“
Die gesellschaftlich immer wichtiger werdende Integration von Biodiversität und Klimaschutz in der Landwirtschaft führt bei vielen Betrieben zu Unsicherheiten. Daher ist es notwendig in einem ersten Schritt zu erkennen, welche Leistungen bereits am Betrieb erbracht werden. Eine Erweiterung dieser Leistungen erfolgt umso eher, je mehr die Sinnhaftigkeit und der Nutzen für den eigenen Betrieb erkennbar sind. Auch bei der Umsetzung des Österr. Agrarumweltprogramms (ÖPUL) gibt es immer wieder offene Fragen bei der Umsetzung der geforderten Auflagen. Daher sind Bewusstseinsbildung “von Landwirt:in zu Landwirt:in” sowie Lernen von und auf Modellbetrieben beziwhungsweise in Modellregionen und der Aufbau eines Netzwerks von Multiplikator:innen ein geeigneter Weg, um die steigenden Anforderungen nachhaltig in die landwirtschaftlichen Bewirtschaftung zu integrieren.
Im vorliegenden Projekt sollen aufbauend auf den LE- Projekten “Netzwerk Vielfalt am Betrieb” (www.vielfalt-am-betrieb.at) sowie “ÖPUL verbindet” (www.oepul-verbindet.at) österreichweit vier Modellregionen sowie Modellbetriebe und landwirtschaftliche Fachschulen als “Modellschulen” etabliert werden. Diese sollen künftig allen interessierten Landwirt:innen aber auch allen Konsument:innen als Lern- und Erfahrungsaustauschorte in den Themenbereichen “Biodiversität”, “ÖPUL-Umsetzung” sowie “Klimaschutz auf der Fläche” (etwa im Bereich Erhaltung von Feuchtwiesen und Mooren ) zur Verfügung stehen.
Die vier Modellregionen setzen sich aus drei bereits betreuten und einer neuen Region zusammen:
- 1. Probstdorf – Niederösterreich: intensive Ackerbauregion
- 2. Jaidhof – Niederösterreich: gemischte Acker-Grünlandregion
- 3. Ursprung – Salzburg: intensive Grünlandregion
- 4. Murau -Steiermark: Grünland, Biobetriebe
In der neu zu etablierenden Modellregion Murau erfolgt in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Steiermark der Aufbau der Kooperation mit den landwirtschaftlichen Betrieben mit dem Schwerpunkt “optimale Umsetzung von ÖPUL-Biodiversitätsflächen im Grünland” inklusive Ersterhebung und Aufbau eines Begleitmonitorings. Ein genaues Angebotsprofil der vier Modellregionen sowie der noch aus dem Netzwerk der bestehenden 500 Vielfaltsbetriebe zu definierenden Modellbetriebe und der Modellschulen wird im Projekt erarbeitet.
Um die in den Modellregionen und auf den Betrieben aktiven Landwirt:innen, in ihrer Rolle als Multiplikator:innen zu unterstützen, werden zehn Schulungen durchgeführt sowie eine Vernetzung untereinander gefördert. Zur laufenden Erweiterung des Netzwerks werden österreichweit 90 Betriebsgespräche auf interessierten Betrieben durchgeführt, bereits umgesetzte Leistungen erhoben und Hofplakate erstellt. Dies erfolgt durch zu “Biodiversitätsvermittler:innen” ausgebildeten Landwirt:innen. Weiters sind 13 Biodiversitätswerkstätten mit Maßnahmenumsetzungen auf der Fläche und neun Informationsveranstaltungen zu Schwerpunktthemen geplant. In insgesamt 21 Schulbesuchen an landwirtschaftlichen Schulen werden zukünftige Landwirt:innen sensibilisiert. Durch das Projekt wird ein wichtiger Beitrag zur Sichtbarmachung von “Best-Practice” im Bereich Biodiversität, Klimaschutz und ÖPUL-Umsetzung in vier Modellregionen sowie auf Modellbetrieben und in Modellschulen geleistet. Im Sinne eines Schneeballeffektes sollen möglichst viele Betriebe zur Nachahmung angeregt, die Akzeptanz von ÖPUL-Maßnahmen verbessert und dadurch eine biodiversitätsfördernde und klimaschützende Bewirtschaftung österreichweit unterstützt werden.
Was macht dieses Projekt besonders nachahmenswert?
- Überbetrieblicher Ansatz: Schaffung von Biotopverbundsystemen in Modellregionen durch ÖPUL-Maßnahmen
- Evaluierung der umgesetzten Maßnahmen durch ein Monitoring
- Nutzen der Modellregionen als Schulungs- und Vermittlungszentren
Darum war es wichtig, das Projekt umzusetzen
Die ab 2023 neu gestartete Programmphase des Österreichischen Agrarumweltprogramms (ÖPUL) verfolgt die Zielsetzung, dem fortschreitenden Biodiversitätsverlust sowie dem Klimawandel entgegenzuwirken. So müssen künftig bei Teilnahme an den gesamtbetrieblichen Maßnahmen „Umweltgerechte und Biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung (UBB)“ sowie „Biologische Wirtschaftsweise (BIO)“ mindestens 7 % der Acker- und Grünlandflächen als „Biodiversitätsflächen“ ausgewiesen werden. Um bei Umsetzung dieser und anderer ÖPUL-Maßnahmen einen optimalen Nutzen für die Biodiversität in der Kulturlandschaft zu gewährleisten, ist die richtige Verteilung dieser Flächen essentiell. Durch die Schaffung von Biotopverbundsystemen kann ein ökologischer Mehrwert gegenüber unzusammenhängenden Einzelmaßnahmen erreicht werden.
Ziele des Projekts
Beim vorliegenden Projekt sollen anhand von vier Modellregionen auf ganz Österreich übertragbare Erkenntnisse für die Schaffung von Biotopverbundsystemen durch gezielte Umsetzung von ÖPUL-Maßnahmen gewonnen werden. Durch eine Erfassung der derzeit vorhandenen Tier- und Pflanzenindikatoren (Ist-Situation) in den Regionen, kann zudem die Basis für eine spätere, detaillierte Evaluierung der jeweiligen ÖPUL-Maßnahmen geschaffen werden. Bei der Auswahl der Modellregionen wurde darauf geachtet, die Bandbreite der Bewirtschaftungsintensitäten in Österreichischen Acker- und Grünlandgebiete abzudecken.
Maßnahmen um die Projektziele zu erreichen
Die Schaffung von Biotopverbundsystemen durch ÖPUL Maßnahmen in den oben genannten Projektregionen erfolgt durch eine genaue Analyse der „Ist-Situation“ betreffend Biodiversität. Darauf aufbauend werden Ziele und Maßnahmen, für die in der jeweiligen Region zu fördernden Tier- und Pflanzenindikatoren definiert und in enger, freiwilliger Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Betrieben mit Unterstützung der regionalen Landwirtschaftskammern umgesetzt. Begleitend dazu werden die landwirtschaftlichen Betriebe der Region sowie auch Interessent*innen aus anderen Regionen durch Bewusstseinsbildungen und Schulungen (etwa Informationsabende, Webinare, „Biodiversitätswerkstätten“, landwirtschaftliches Biodiversitätsmonitoring auf Biodiversitätsflächen ) begleitet, welche den Betroffenen die Zielsetzungen des Biotopverbunds anschaulich und partizipativ vermitteln. Neben der Erfolgskontrolle der umgesetzten Maßnahmen, liegt eine weiterer Schwerpunkt auf Öffentlichkeitsarbeit, welche darauf ausgerichtet ist, die Übertragbarkeit der in den Modellregionen gewonnenen Erkenntnisse auf ganz Österreich zu gewährleisten.
Ergebnisse und Wirkungen quantitativ
- Wissensvermittlung zu Aufgaben und Funktion von Biodiversitätsflächen
- Bewusstseinsbildung durch die Abhaltung von Veranstaltungen zu aktuellen Themen in der Landwirtschaft in Zusammenhang mit Biodiversität und Biodiversitätsflächen
- qualitative Verbesserung von Biodiversitätsflächen in den Modellregionen
Ergebnisse und Wirkungen qualitativ
- Etablierung von vier Modellregionen
- Anlegen von mehr als 37 ha Biodiversitätsflächen (Grün- und Ackerland)
- Erhebung von Arten- und Individuenzahlen unterschiedlichster Indikatorgruppen in den Modellregionen
Mehrwert durch Vernetzung
- Das Projekt nutzt gezielt Vernetzungsstrategien und Austauschformate, um Akteur:innen aus unterschiedlichen Bereichen (Landwirtschaft, Beratung, Verwaltung, Wissenschaft) miteinander zu verbinden.
- Modellregionen als Vernetzungszentren: In den Modellregionen wurden regionale Netzwerke aufgebaut, die Betriebe, Beratung, unterschiedliche Interessensgruppen wie die Jägerschaft und die ortsansässige Gesellschaft zusammenbringen.
- Regionale Dialoge: Veranstaltungen vor Ort boten Raum für den Austausch über ÖPUL-Maßnahmen hinaus.
- Österreichweite Vernetzung: Neben regionalen Initiativen wurde auch ein überregionales Netzwerk geschaffen – etwa durch überregionale Austauschformate wie Webinare, in denen Erfahrungen zwischen Regionen geteilt wurden.
- Strukturiertes Wissen teilen: Durch gezielte Aufbereitung von Informationen zu ÖPUL-Maßnahmen (wie Landschaftselemente, Prämien, Änderungen zur letzten ÖPUL-Periode, Blühmischungen etc.) wurde ein gemeinsames Verständnis gefördert. Ergebnis: Die verschiedenen Beteiligten konnten voneinander lernen, Kooperationspotenziale erkennen und bestehendes Wissen effektiv verbreiten.
Innovation
Die gewählten Methoden und Ergebnisse, die in den Modellregionen entwickelt, erprobt, gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Betrieben umgesetzt werden, sind so ausgerichtet, dass sie österreichweit auf andere Regionen übertragbar, anwendbar und nutzbar sind.
- Überbetriebliche Biodiversitätsflächen: Entwicklung und Umsetzung eines neuartigen, überbetrieblichen Konzepts zur Förderung der Biodiversität. Biodiversitätsflächen werden in der Regel in Österreich bisher einzelbetrieblich angelegt
- Regionale Erprobung für Blühmischungen: in den Modellregionen können unterschiedlichste Blühmischungen erprobt und bewertet werden (unter vergleichbaren Standortbedingungen).
- Praxisorientiertes Monitoring: Aufbau eines begleitenden Monitoringsystems zur wissenschaftlich fundierten Evaluierung der umgesetzten Maßnahmen direkt in der landwirtschaftlichen Praxis.
- Übertragbarkeit und Skalierbarkeit: Entwicklung von Methoden und Erkenntnissen mit dem klaren Ziel der österreichweiten Anwendbarkeit – als fachliche Grundlage für Biodiversitätsmaßnahmen in anderen Regionen.
- Evaluierung: Nutzung der Monitoring-Ergebnisse zur fachlichen und strategischen Weiterentwicklung von Biodiversitätsflächen.
Einbeziehung von jungen Menschen
Vor allem in Probstdorf sind landwirtschaftliche Betriebsführer:innen mit einem Alter unter 40 Jahren eingebunden. In den gemeinsamen Sitzungen war es allen Teilnehmenden gleichermaßen möglich sich in die Projekttätigkeiten einzubringen.
Einbeziehung von Frauen
Unter den teilnehmenden Betrieben sind weibliche Betriebsführerinnen deutlich in der Minderzahl.
Einbeziehung von Minderheiten (Inklusion)
In den Projektgebieten sind keine Angehörigen von Minderheiten eingebunden.
Die wichtigsten Lernerfahrungen
Die Umsetzung des Projekts “ÖPUL verbindet” war von einer Vielzahl an praktischen Herausforderungen begleitet, die jedoch wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Tätigkeiten geliefert haben. Besonders in den östlichen Ackerbauregionen zeigte sich ein deutlicher Mangel an geeigneter Technik für Biodiversitätsflächen mit mehr als 30 Mischungspartnern (Mahd und Abtransport ist vorgeschrieben), was die Pflege der Blühflächen erschwerte. Zudem stellte sich in jenen Ackerflächen, die an Biodiversitätsflächen angrenzen Schädlinge wie der Drahtwurm als potenzielles Problem heraus, da er Fraßschäden verursachen kann. Auch eine erhöhte Population von Feldmäusen, welche sich in den ungestörten Biodiversitätsflächen wohl fühlen, sorgte immer wieder für Unmut.
Ein weiters zentrales Thema war die Verfrachtung von Samen: Durch den ungewöhnlich frühen Vegetationsbeginn im Jahr 2024 fand die Aussamung vieler Beikräuter bereits vor dem ersten Pflegeschnitttermin statt. Der laut ÖPUL erst ab 1. August erlaubte Mahdzeitpunkt auf 75 % der Biodiversitätsflächen begünstigte die ungewollte Verbreitung dieser Arten. Eine flexiblere Regelung könnte hier helfen, sowohl die Samenverfrachtung zu minimieren als auch einen besseren Herbstaufwuchs zu ermöglichen. Einzelne Pflanzen wie die Wilde Möhre breiteten sich überproportional stark aus – in Gemüsebauregionen, insbesondere im Zwiebelanbau, ist dies problematisch. In Regionen wie dem Marchfeld besteht daher die Notwendigkeit, Blühmischungen noch gezielter an Standort und Nutzungsform anzupassen.
Und auch die Nutzung des Schnittguts ist ein sensibles Thema, insbesondere im Hinblick auf die Verträglichkeit für die Tierhaltung. Der Umgang mit potenziell giftigen Pflanzenarten erfordert Sorgfalt und klare Kommunikation. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war die Einbindung verschiedenster Interessensgruppen in das Projekt. Neben den Landwirt*innen war das insbesondere die Jägerschaft. Begrünte Flächen bieten wertvolle Deckung, etwa für Rebhühner nach der Getreideernte, und unterstützen damit indirekt auch den Erhalt von Arten, die für die Jäger interessant sind.
Trotz dieser Herausforderungen konnten mit dem Projekt die Biotopverbundsysteme erfolgreich etabliert werden. Viele Landwirt:innen waren anfangs skeptisch, doch durch gezielte Informationsveranstaltungen bzw. Geländebegehungen gelang es, Vertrauen aufzubauen und eine tragfähige Basis für Zusammenarbeit zu schaffen. Auch die Abhaltung von Veranstaltungen durch Dritte im Projektgebiet beziehungsweise die Präsentation der Leistungen der österreichischen Landwirtschaft an die ortsansässige und interessierte Bevölkerung schafft ein besseres Bewusstsein und Akzeptanz gegenüber den Maßnahmen im ÖPUL. Auch wenn nicht alle Beteiligten in den Regionen für das Projekt gewonnen werden konnten, war die Resonanz insgesamt sehr positiv.
Übertragbarkeit
Das Projekt wurde bewusst in unterschiedlichen landwirtschaftlichen Hauptproduktionsgebieten in Österreich etabliert. Die drei Modellregionen bilden einen großen Teil der Landwirtschaft in Österreich ab. Erfahrungen können daher auf weite Teile von Österreich übertragen werden.