Digitale Techniken in der Praxis

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27.03.2017

Herr Hiller-Jordan, Sie verwenden auf Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb einige neue digitale Technologien. Welche sind das, wo finden Sie Verwendung auf Ihrem Betrieb und wie sind Sie dazu gekommen?

Schon seit vielen Jahren erfolgt die schlagbezogene Planung und Aufzeichnung mit einer digitalen Ackerschlagkartei, alle Arbeiten werden dort geplant und im Nachgang protokolliert. Dadurch erhält man über die Jahre sehr genaue Kennzahlen über den Betrieb und die einzelnen Schläge.

In einem nächsten Schritt wurde mit einem manuellen Lenksystem mit einer Genauigkeit von 15 cm, ohne Maschinensteuerung, begonnen. Hierbei wird die ideale Spur nur durch LEDs bzw. am Monitor dargestellt, lenken muss der Fahrer selbst und die Maschinen, hauptsächlich Düngerstreuer und Feldspritze, werden weiter manuell bedient.

Jetzt erfolgte der Umstieg auf ein automatisches Lenksystem mit einer Genauigkeit von 2,5 cm (RTK) und Maschinensteuerung. Es wurden zwei bestehende Traktoren umgerüstet, diese werden für die Pflegearbeiten (Düngung, Pflanzenschutz) und für die Bodenbearbeitung eingesetzt. Das System kann nach Kalibrierung und Programmierung, selbständig die Spur halten und auch am Vorgewende in die neue Spur einlenken. Gesteuert werden von dem Lenksystem beim Düngerstreuer die Teilbreiten bei Keilflächen und am Vorgewende der optimale Ein- und Ausschaltzeitpunkt abhängig vom verwendeten Dünger. Bei der Feldspritze erfolgt die automatische Einzeldüsenabschaltung GPS-gesteuert um die Überlappungen auf ein Minimum zu reduzieren, am Vorgewende fährt der Spritzbalken automatisch hoch um eine Beschädigung der Düsen zu vermeiden. In Kombination mit dem Lenksystem und der entsprechenden Software kann die Spritze auch am Hang der Spur des Traktors optimal folgen. Weiters besitzt die Spritze noch eine automatische Höhenanpassung des Balkens, um immer den optimalen Abstand zur Zielfläche zu halten. Neben den genannten Arbeiten Düngung und Pflanzenschutz kommt das Lenksystem auch bei der Aussaat und der Bodenbearbeitung zum Einsatz.

Der Einsatz dieser Technologien am Betrieb hat sich mehr oder weniger ergeben, eine Technologie führt zu anderen, insgesamt basiert es aber auf einem sehr hohen persönlichen Interesse an neuen Technologien. Dies sollte auch vorhanden sein, da es trotz anderslautender Marketingaussagen nicht immer ganz einfach ist alle Technologien und Maschinen zur Zusammenarbeit zu bringen. Auch ist der initiale Zeitaufwand, bis alles dann so wie gewünscht funktioniert, erheblich. 

Welche Chancen und Vorteile sehen Sie für den Betrieb durch die Verwendung dieser Technologien?

Chancen und Vorteile sehe ich vor allem im gezielteren Einsatz von Betriebsmitteln, durch geringere Überlappungen bei Düngung und Pflanzenschutz kommt es zu Kosteneinsparungen, wie hoch diese ausfallen werden erst die nächsten Jahre zeigen.

Ein weiterer Faktor ist auch die Verringerung des Dieselverbrauchs bei der Bodenbearbeitung durch weniger Überlappung, aber auch hier ist die Einsparung in der Praxis erst nach einigen Jahren quantifizierbar.

Ein weiterer Vorteil ist die effizientere Ausnutzung der Arbeitszeit bei zeitkritischen Arbeiten, durch das Lenksystem kann auch bei ungünstigeren Sichtverhältnissen noch zufriedenstellen gearbeitet werden. Auch können Düngung und Pflanzenschutz in die Abend- bzw. frühen Morgenstunden verlegt werden um diese windarmen Zeitfenster besser auszunutzen.

Insgesamt sehe ich diese Technologien auch als Baustein für eine nachhaltige und umweltschonende Landwirtschaft - durch gezielteren und geringeren Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Diesel, sowie der Nutzung von optimalen Zeitfenstern bei gewissen Arbeiten.

Ein weiterer Vorteil besteht für mich in der Entlastung des Fahrers - dieser kann sich besser auf das angehängte Arbeitsgerät konzentrieren bzw. ermüdet nicht so schnell. 

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Betriebes im Zusammenhang mit neuen digitalen Technologien?

Wie schon erwähnt werden sich die quantifizierbaren Vorteile erst in den nächsten Jahren abzeichnen, hier bilden die vorhandenen Aufzeichnungen der Ackerschlagkarte eine gute Basis. Gleichzeitig ist die Ackerschlagkartei aber in dem ganzen System auch noch die größte Baustelle - aktuell gibt es leider noch kein auf Österreich abgestimmtes System, dass die Daten des Lenksystems automatisch verarbeiten kann um den Aufwand für die Aufzeichnung der Arbeitsgänge zu verringern - hier werden in den nächsten Jahren noch einige Versuche notwendig sein um die optimale Lösung zu finden bzw. hoffe ich, dass die österreichischen Anbieter schon an Lösungen arbeiten. Generell ist die Interoperabilität der unterschiedlichen Systeme und Hersteller trotz ISOBUS & Co leider immer noch schwierig.

Abgesehen von dieser konkreten Fragestellung, geht es in Zukunft sicher darum mit dem vorhandenen System die Effizienz des Betriebes weiter zu steigern - hier ist ein Ansatz die teilflächen-spezifische Bewirtschaftung auf Basis von Applikationsarten für Düngung, Pflanzenschutz und Aussaat. Hier gibt es im Ausland schon Anbieter die basierend auf Satellitenbildern Biomassekarten für einzelne Schläge erstellen.

Eine weitere Ausbaustufe ist sicherlich auch die GPS-gestützte Ertragskartierung bei der Ernte. Bereits seit zwei Jahren werden auch die Bodenproben am Betrieb GPS vermessen - aus all diesen Informationen (Biomassekarten, Ertragsdaten und Bodenproben) lassen sich viele Dinge ableiten für die teilflächen-spezifische Bewirtschaftung - ob und inwieweit hier auch für die Praxis am Betrieb sinnvolle Schlüsse gezogen werden können muss man dann im Einzelfall beurteilen.

Generell helfen diese Technologien, egal ob nun Precision Farming, Smart farming oder ähnliches, wenn sinnvoll und betriebsspezifisch eingesetzt auf lange Sicht die Effizienz am Betrieb zu steigern auch wenn Anfangs ein hoher Zeitaufwand und auch ein gewisser Kapitaleinsatz notwendig sind. 

 

Kurzportrait des Betriebes: Gutsverwaltung Hiller e.U.

  • Betriebsleiter: Johannes Hiller-Jordan 

  • Bewirtschaftung: Seit 2014, nach Übernahme von den Eltern

  • Fläche: 210 ha Ackerfläche, 35 ha Wald, weiters Wiesen, Teiche,…, insgesamt 250 ha

  • Wirtschaftsweise: konventionell, reiner Marktfruchtbetrieb, minimale Bodenbearbeitung, seit 6 Jahren komplett pfluglos, einzelne Flächen bereits seit über 10 Jahren pfluglos

  • Kulturen: Winterweizen, Sommergerste, Erbsen, Soja, Zuckerrüben, Einkorn und je nach Marktlage Alternativen wie Senf, Kümmel, Lein 

  • Vermarktung: Schwerpunkt Saatgutvermehrungen und Zuckerrüben, restliche Konsumware gesplittet zwischen Vertragsanbau und Kassamarkt (teilweise mit Absicherung über den Terminmarkt)

  • Arbeitskräfte: keine Fremdarbeitskräfte, zeitweise Unterstützung in Arbeitsspitzen durch meine Frau und meinen Vater

  • Erschwernisstufe: keine

  • Besonderheiten: aus der Geschichte heraus, große zusammenhängende Flächen, Großteils in Hofnähe