Innovative Werkstatt: Genossenschaften – eine Organisationsform für nachhaltige Regionalentwicklung?

Themenbereich
Land & Forst
Umwelt & Klima
Leader & Regionen
Innovation

20.05.2019

Die Rechtsform einer LAG oder einer Projektträgerin/eines Projektträgers hat Folgen in den Bereichen Besteuerung, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten, Finanzierung sowie Haftung und Verantwortung von Geschäftsführung und Führungsebene. Im Vorfeld der künftigen Programmperiode wurden im Rahmen des Workshops „Genossenschaften“ von Netzwerk Zukunftsraum Land daher rechtzeitig Know-how und Erfahrungen eingespielt, die eine gute Reflexion darüber ermöglichen sollen, mit welchem Organisationsmodell man den steigenden Anforderungen im Rahmen von LEADER am besten gerecht werden kann. 
 
Genossenschaften: Ein Organisationsmodell für kooperative Initiativen und Projekte?
Den Schwerpunkt dieser Werkstatt bildeten die „eingetragenen Genossenschaften“, die als Organisationsform in der ländlichen Entwicklung und insbesondere im Kontext mit LEADER an Bedeutung gewinnen könnten. Neben rechtlichen Belangen ging es dabei auch um die Frage, ob Genossenschaften ein Zukunftsmodell für kooperatives Wirtschaften im ländlichen Raum sein können. Ralph Grossmann von der Estonian Business School (EBS) (früher Universität Klagenfurt) hat dazu Ergebnisse aus Studien zu diesem Thema vorgestellt, die u.a. zu folgender Erkenntnis führten: Genossenschaften sind in Krisen resistenter, besitzen eine hohe Innovationskraft, fördern regionale Wertschöpfungsketten, tragen zu ökonomischem Pluralismus bei, schaffen Versorgungsstrukturen in “unrentablen” Gebieten, fördern Nachhaltigkeit und ökologische Projekte und stärken den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
 
Praxisbeispiele: eGen und GmbH
Die Vorarlberger LEADER-Gruppe Regio-V ist bereits als eingetragene Genossenschaft (eGen) organisiert (regio-v.at). Die praktischen Erfahrungen mit diesem Organisationsmodell wurden von LEADER-Manager Peter Steurer präsentiert. Als Vorteile einer eGen wurden dabei unter anderem ausgemacht:
·    die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen
·    der Bestand der Gesellschaft ist unabhängig von der Person der Mitglieder
·    das gute Ansehen einer eGen am Markt durch die Kaufmannseigenschaft
·    das demokratisches Grundprinzip
·    es ist kein Mindestkapital erforderlich
·    die unbürokratische Erweiterung um neue Mitglieder
 
Mehrjährige Erfahrung als Genossenschaft haben auch die 16 Mitglieder der Beschäftigungsgenossenschaft Otelo eGen (oteloegen.at). Das Ziel von Otelo ist es, für „Einzelpersonen“ Anstellung zu organisieren und gemeinsam Dienstleistungen in den Bereichen Regionalentwicklung, Medienarbeit, neue Technologien und Bildung anzubieten. Die Otelo eGen wurde von Wolfgang Mader, einem Gründungsmitglied von Otelo vorgestellt. Ein bewährtes Organisationsmodell sind Genossenschaften seit vielen Jahren im Energiebereich. Leo Riebenbauer, der selbst eine Vielzahl an Energie-Genossenschaften mitgegründet hat, hat dazu aus seinen Erfahrungen berichtet. Als interessantes Praxisbeispiel für eine andere Organisationsform wurde das GmbH-Modell der LEADER-Region Almenland & Energieregion Weiz – Gleisdorf von LAG-Managerin Iris Absenger-Helmli vorgestellt.
 
Die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Rechtsformen
Im Rahmen dieses Workshops wurden auch die Vor- und Nachteile, die Chancen und Risiken unterschiedlicher Rechtsformen (eGen, Verein, GmbH) für LAGs und regionale Entwicklungsorganisationen sowie für Projektträgerinnen und Projektträger vorgestellt und diskutiert. Markus Dellinger, Experte für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht an der Uni Wien und im Österreichischen Raiffeisenverband hat dazu grundlegende Informationen präsentiert und daraus resultierende Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beantwortet. Konkret ging es dabei um folgende Themen: Mitgliederstruktur, Entscheidungsfindung, Finanzierung und Gewinnverteilung, Revision, Abschlussprüfung, Rechnungsprüfung und Haftungsabsicherung.
 
Das Resümee dieser Sequenz in Kurzform:

·     Mitgliederstruktur: Wenn Mitgliederfluktuation möglich sein soll, sollte man eine GmbH vermeiden.
·     Entscheidungsfindung ist kein Rechtswahlkriterium, weil diese überall gleich bzw. im Wesentlichen gleich gestaltbar ist (allerdings fehlen beim Verein Umgründungsmöglichkeiten!).
·     Bei der Finanzierung bietet die Genossenschaft die größten Spielräume.
·     Bei der Gewinnverteilung bietet die Genossenschaft ebenfalls die größten Spielräume (im Verein überhaupt verboten; ebenso die Verteilung des Liquidationsüberschusses).
·     Genossenschaftsrevision mit Gebarungsprüfung kann als Vorteil (Seriosität, Förderungswürdigkeit, Unterstützung des Aufsichtsrats) oder auch als Nachteil (Revisionskosten, Aufwand) empfunden werden.
·     Haftung ist eher kein Rechtswahlkriterium; echte Unterschiede gibt es nur bei gesellschaftsrechtlichen Pflichten (Pflichtenkorsett bei GmbH am strengsten), bei Sorgfaltsmaßstab für Innenhaftung (Ehrenamtlichkeit) und bei Geltendmachung (nur bei GmbH und Verein: Minderheitenrecht zur Geltendmachung ab 10%).