Agroforstsysteme in Österreich – ein innovativer Lösungsansatz

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15.03.2022

Der Klimawandel setzt die Agrarlandschaft massiven ökologischen und ökonomischen Veränderungen wie Dürren, Starkregenereignissen, Bodenabtrag und Ertragseinbußen aus. Landwirtschaftliche Betriebe sind daher zunehmend gezwungen, sich mit modernen und an die veränderten Umweltbedingungen angepassten Anbausystemen auseinanderzusetzen. Zeitgemäße und standortangepasste Agroforstsysteme sind ein innovativer Lösungsansatz  um den zuvor genannten Herausforderungen in der Landwirtschaft zu begegnen, werden jedoch aktuell in Österreich kaum umgesetzt.

Während für andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wissenschaftliche Erkenntnisse und Umsetzungserfahrungen vorliegen, gibt es für landwirtschaftliche Betriebe in Österreich, die sich für Agroforstkonzepte interessieren, weder geeignete Informationsstellen noch ein spezifisches Netzwerk, um gezielt Know-how beziehen zu können. Dieses Defizit wiegt noch schwerer in Anbetracht der Tatsache, dass die Anlage von Agroforstsystemen eine langfristige Bewirtschaftungsform darstellt und daher wohlüberlegt erfolgen muss. Die Operationelle Gruppe (OG) „Agroforst Österreich“ will mit dem gleichnamigen EIP-AGRI-Projekt diese Wissenslücke schließen. Auf landwirtschaftlichen Demonstrationsbetrieben werden Agroforstsysteme umgesetzt und ein nationales Netzwerk von Praktikerinnen und Praktikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufgebaut und Beratungsunterlagen erstellt.


Netzwerk Zukunftsraum Land hat mit der Projektkoordinatorin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) Theresia Markut und dem Landwirt Andreas Hager über ihre Erfahrungen und die bisherigen Projektergebnisse gesprochen.

Frau Markut, welchen Problemstellungen stehen Landwirtinnen und Landwirte in Bezug auf die Umsetzung von Agroforstsystemen in Österreich gegenüber?
Die wohl größten Hürden sind die fehlenden Erfahrungswerte, die fehlenden Demonstrationsbetriebe mit Agroforstsystemen im Ackerbau in Österreich und der fehlende Austausch unter Praktikerinnen und Praktikern. Das Know-how hinsichtlich Anlage und Pflege von Agroforstsystemen ist in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen und somit steigen die Unsicherheiten bei der Umsetzung. Weitere hinderliche Gründe sind die fehlende Verankerung von silvoarablen Agroforstsystemen im landwirtschaftlichen Fördersystem, größere Investitionen in der Anfangsphase und die Unsicherheiten bei der Planung und praktischen Umsetzung.

Worin sehen Sie konkretes Potenzial für den Wissenstransfer und die Umsetzung von Agroforstsystemen in Österreich? 
Durch den Wissenstransfer wird praktisches Know-how bei der Planung, Umsetzung und Pflege von verschiedenen silvoarablen Agroforstsystemen nach Österreich gebracht und gebündelt. Das Potential von gut umgesetzten Agroforstsystemen ist hoch, weil sie ein cleverer Lösungsansatz für viele große Herausforderungen in der Landwirtschaft wie Klimawandel und Klimawandelanpassung, Diversifizierung der Landschaft, Bodenerhaltung, Wasserhaushalt und dergleichen sein können. Es können gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden und das wird von Seiten der Landwirtinnen und Landwirte auch bereits so wahrgenommen. 

Sie koordinieren das Projekt „Agroforst Österreich“. Welche wesentlichen Erkenntnisse oder Empfehlungen aus dem Projekt können Sie bereits ableiten? Welche ersten Schritte sollten unternommen werden, um Agroforstsysteme in Österreich umzusetzen?
So verschiedenartig die Ackerbaubetriebe in Österreich sind, so verschieden sind auch die Erwartungen und Ziele der Betriebe an Agroforstsysteme. Nach Beratung durch Expertinnen und Experten und Austausch in der OG konnte jeder der sechs teilnehmenden Demonstrationsbetriebe der OG auf einen Schlag in die Umsetzung kommen - und kein System gleicht dem anderen! Und so kann es im Prinzip auch jeder andere interessierte Betrieb angehen. 


Herr Hager, Sie setzen mit der OG ,,Agroforst Österreich‘‘ gemeinsam das gleichnamige EIP-AGRI Projekt um. Was würden Sie als aktiver Landwirt im Projekt anderen Landwirtinnen und Landwirten raten?
Agroforstsysteme auf landwirtschaftlichen Betrieben können sehr vielfältig sein. Es braucht viel an Wissen und Information, da es unterschiedliche Systeme und Arten der Nutzung gibt. Eine Fachberatung vor Ort inklusive einer Planung und Gestaltung mit Baumartenlisten, ja sogar eine professionelle Begleitung über einen gewissen Zeitraum, damit die Umsetzung erfolgreich gelingt, kann ich Interessierten sehr ans Herz legen. Es braucht auch ein hohes Maß an Geduld und Zeit sowie Beharrlichkeit, da es oftmals ein ganz neues Thema ist und aus meiner Sicht eine gute Planung braucht.

Was können Sie sich aus dem Projekt mitnehmen, was werden Sie beibehalten?
Den Erfahrungsaustausch untereinander habe ich sehr geschätzt, ebenso die gegenseitige Motivation, die bei so einem neuen Thema besonders ausgeprägt war. Jeder der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat eine Vision beziehungsweise in der Gruppe ein gemeinsames Ziel: Agroforst am eigenen Hof zu integrieren und umzusetzen. Hier im Besonderen hat mich sehr motiviert, dass keine Grundsatzdiskussionen mehr zu führen sind, sondern der Weg Schritt für Schritt gegangen wird. Sehr wertvoll waren die unterschiedlichen Fachinputs von verschiedenen Seiten durch Expertinnen und Experten sowie die Bereitstellung von Unterlagen und Skripten.

Wie sind Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft und worin sehen Sie die größten Vorteile dieser Zusammenarbeit?
Wie gesagt, sehr wertvoll waren für uns die unterschiedlichen Fachinputs. Ein großer beidseitiger Nutzen ist, dass aus Sicht der Praxis oft ein ganzheitlicher Blick vorhanden ist und die Wissenschaft den Fokus auf EIN Thema legt. Hier die Zusammenhänge zu verknüpfen, ist ein großer Mehrwert auf beiden Seiten. Ich denke, wir können sehr gut voneinander lernen und schauen, wo es noch Forschungsbedarf gibt. Gerade das Thema Agroforst ist noch sehr wenig erforscht. Es wird versucht über Querschnittsmaterien Zusammenhänge darzustellen, jedoch fehlt aus meiner Sicht noch eine langfristige Darstellung, um den „Mehrwert“ ökologisch und ökonomisch greifbarer zu machen.

Links und weiterführende Informationen finden Sie in der Projektdatenbank des Netzwerks Zukunftsraum Land. Eine Zusammenfassung des Projekts steht darüber hinaus auch in Form eines anschaulichen Kurzvideos zur Verfügung.