23. November 2021, 10:00–14:30

Netzwerk - Jahreskonferenz 2021: Green Deal – Wandel als Chance

Themenbereich
Land & Forst
Umwelt & Klima
Leader & Regionen
Innovation

Ziel der Veranstaltung

Die Schlüsselfragen des Green Deal standen im Mittelpunkt der Netzwerk-Jahreskonferenz 2021, die am 23. November 2021 online über die Bühne ging. Nach einem Statement zum Thema „Green Deal – den Umbau zur Chance machen“ durch Bundesministerin Elisabeth Köstinger stellte Sabine Schneeberger (Bundeskanzleramt) im Anschluss das „Fit for 55“-Paket der Europäischen Kommission vor.

Daran anknüpfend wurden in vier parallelen Panels vier der wichtigsten Themen bei der Umsetzung des Green Deal in Österreich bearbeitet (Betriebsmittelverzicht, Außernutzstellungen, Mobilitätswende und fairer Übergang). Thematisch eingeleitet wurden die Panels jeweils durch eine Keynote sowie weitere Kurzpräsentationen. Danach waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert, auf jeweils drei Schlüsselfragen Antworten zu finden – nachfolgend die dabei aufgestellten Thesen:

Panel I: Betriebsmittelverzicht – Was bedeutet das in der Praxis?

Welche Technologien und Methoden sollen forciert werden, um einen bestmöglichen Beitrag zur geforderten Betriebsmittelreduktion leisten zu können?
These: Ambitionierte Ziele benötigen Mut zu Neuem, sowohl auf EU-Ebene (etwa neue Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas) als auch auf nationaler Ebene (beispielsweise Phosphorgewinnung aus Klärschlamm, teilflächenspezifische Ausbringung, Robotik, Pflanzenschutzwarndienst, Bodenuntersuchungen etc.), denn man kann nicht „den Werkzeugkoffer leerräumen“ und gleichzeitig noch hochwertigere Ergebnisse fordern.

Welche Herausforderungen und Möglichkeiten liefert die Betriebsmittelreduktion für die landwirtschaftliche Produktion in Österreich?
These: Die Bewältigung einer Herausforderung mithilfe von nur singulären Maßnahmen in einem extrem vernetzen System läuft Gefahr, neue Probleme (Beschleunigung des Strukturwandels, Erhöhung der Bodenerosion durch die Zunahme des mechanischen Pflanzenschutzes etc.) hervorzurufen. Nicht einzelne Inputs, sondern der Gesamt-Output soll im Fokus der Betrachtung stehen, zum Beispiel der CO2-Rucksack je kg Lebensmittel, basierend auf all seinen Inputfaktoren.

Wie kann bei der angedachten Betriebsmittelreduktion ein gravierender Rückgang der Lebensmittelproduktion und somit eine Verschlechterung der Versorgungssicherheit verhindert werden?
These: Nicht nur die Landwirtschaft, sondern alle Partnerinnen und Partner des Lebensmittelsystems sind gemeinsam gefordert, den gesellschaftlichen Forderungen in ihrem Wirkungsbereich nachzukommen: Verarbeitung und Handel durch die Wahl ihrer Qualitätskriterien, die Konsumentinnen und Konsumenten durch ihr Konsumverhalten, aber auch die Politik durch die Sicherung der anderen Produktionsfaktoren, insbesondere des Bodens.

Panel II: Ausweisung von Schutzgebieten und Wiederherstellung von Ökosystemen – Was bedeutet das in der Praxis?

Wie kann das Schutzgebietsnetzwerk in Österreich so ausgeweitet werden, dass der in der EU-Biodiversitätsstrategie geforderte Prozentsatz von 30 Prozent geschützter Landfläche, davon ein Drittel unter strengem Schutz, erlangt werden kann?
These: Selbstbewusstsein an den Tag legen! Ausreichend Flächen für Schutzgebietserweiterung und Restauration sind vorhanden, ein partizipativer Prozess mit den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern ist aber von zentraler Bedeutung. Auch bewirtschaftete Flächen sind im Sinne der Artenvielfalt zu berücksichtigen.

Wie kann das Ziel, mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wieder mit großer Artenvielfalt auszustatten, in Österreich erreicht werden?
These: Jeder kann einen Beitrag zur natürlichen Vielfalt leisten: Wir müssen nur wieder lernen, Wildnis zuzulassen, sowohl im Großen als auch im Kleinen (vom Nationalpark bis zum eigenen Garten, im privaten als auch im öffentlichen Raum, etwa bei Straßenrändern und Verkehrsinseln). Auch braucht es bei der Umsetzung Mut zur Lücke!

Bei welchen anderen Wiederherstellungszielen der EU-Biodiversitätsstrategie (wie Bodenschutz, Schutz von Wasser, Wiederherstellung von Ökosystemen, insbesondere Waldökosystemen), die in einem rechtlichen verbindlichen „Restauration Law“ festgehalten werden sollen, hat Österreich einen besonders großen Handlungsbedarf?
These: Es geht nur gemeinsam. Praktikerinnen und Praktiker müssen mit Expertinnen und Experten eng zusammenarbeiten: Gemeinsame Vision, Dialoge, gegenseitige Akzeptanz und gegenseitiges Verständnis, Vetorechte und rechtsverbindliche Garantien, insbesondere für Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, sind wesentliche Faktoren dafür, dass später keine Nachteile zu erwarten sind!

Panel III: Das Mobilitätsverhalten ändern – Was bedeutet das in der Praxis?
Was sind die zentralen Herausforderungen im Mobilitäts- beziehungsweise Verkehrsbereich für Österreich?
These: Die größten Probleme sind der direkte und indirekte Flächenverbrauch durch den Straßenverkehr (Straßen und Parkplätze). Gleich viele Ressourcen fließen in Österreich in Infrastrukturen wie in Gebäude (Deutschland ist beispielsweise wesentlich effizienter organisiert). Mobilitätsdisparitäten führen dazu, dass bestimmte Leistungen der Daseinsvorsorge auch schwerer (zu Fuß) erreichbar sind. Der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter (Carbon Lock-In) muss gesamthaft gedacht und geplant werden.

Was sind die Hebel, um die formulierten Ziele in der Europäischen Union und in Österreich bis 2040 zu erreichen?
These: Es braucht eine flächensparende, integrierte Mobilität: kompakte Siedlungsplanung, Ausrichtung der Planung auf Rad- und Fußverkehr sowie öffentliche Mobilität. Ökonomischen Rahmen setzen: Bepreisung klimaschädlicher Technologien, bessere Parkraumbewirtschaftung, sämtliche Förderungen gezielt auf Klimagerechtigkeit abstimmen. Übersetzen auf die Alltagstauglichkeit durch die Gemeinden, örtlich angepasste Raumplanung (flächensparende Gestaltung von Wohn- und Spielstraßen), Reduktion der Stellplatzverpflichtungen. Rahmenbedingungen müssen ebenenübergreifend (EU – Bund – Land- Region – Gemeinde) und integriert erfolgen - Mobilität ist kein Einzelthema. Die Änderung der Mobilität muss zur erstrebenswerten Aufgabe werden!

Welche Ansätze (Mobilitätsangebote, gesetzliche Rahmenbedingungen usw.) sind aufgrund der bisherigen Erfahrungen besonders erfolgsversprechend?
These: Initiativen auf lokaler Ebene: Umsetzung verkehrsberuhigter Bereiche, integriertes Bauen, Redimensionierung von Verkehrsflächen, Bestandsnutzung, „bahnaffin widmen“; Ausbau und Reaktivierung von Regionalbahnen, die letzte Meile optimieren (Rufbusse, Sharing-Lösungen entwickeln), Infrastruktur für Radfahren verbessern, gezielt auch Fußläufigkeit mitdenken, Bewusstseinsbildung forcieren.

Panel IV: Auswirkungen einer CO2-Bepreisung in ländlichen Räumen – Was bedeutet das in der Praxis?

Wo lebt die Bevölkerung, die besonders betroffen sein wird, wenn klimaschädliches Verhalten teurer wird? Wo liegen die Unterschiede zwischen Stadt und Land tatsächlich?
These: Am Land wohnen nicht zwangsläufig die ärmeren Personen, sondern im Gegenteil oft Einkommensstärkere. Eine Trennung zwischen Stadt und Land ist daher nicht zielführend. Doch je reicher die Personen, desto höher der dazugehörige Co2-Ausstoß haben Personen. Klimawandel ist ein neues soziales Risiko - ähnlich wie Krankheit, Unfälle, Armut, Arbeitslosigkeit. Wir müssen neue gesamtgesellschaftliche Mechanismen der Abfederung des individuellen Risikos finden (zum Beispiel „Öko-Bonus" zur Einkommenserweitern).
 
Was wird anders werden, wenn hohe CO2-Preise eingeführt werden?
These: Ärmere Bevölkerungsgruppen werden aufgrund hoher Kosten zum Beispiel für Mobilität, künftig noch stärker in die Städte ziehen – ein Leben am Land ist für viele dann nicht mehr leistbar. Armut wird so noch stärker als bisher in die Stadt exportiert. Regionale Zentren (zum Beispiel Bezirkshauptstädte) sollten daher verdichtet und durch die Zusammenführung vieler Dienstleistungsangebote auf engem Raum ein leistbares, klimafreundlicheres Leben ermöglicht werden. Das Prinzip der kurzen Wege muss auch am Land möglich sein.
 
Wie schaffen wir eine klimafreundliche Lebensweise, die auch für sozial Schwache leistbar ist?
These: Wir brauchen einen neuen gesamtgesellschaftlichen Traum – was macht ein gutes Leben mit hohem Sozialprestige aus? Weg vom Haus im Grünen, das oft sehr rasch wieder (beinahe) leer steht und dem SUV in der Garage, hin zu einem neuen Narrativ für ein gutes und schönes Leben.


Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann in der Rubrik „Videos“ nachgesehen werden. Unter den „Downloads“ finden Sie die Einladung und das Programm sowie weitere relevante Präsentationsunterlagen aus den einzelnen Vorträgen und Panels.



Ort der Veranstaltung

Online

Veranstalter

Netzwerk Zukunftsraum Land