30 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs: Mut zu Innovation und Veränderung
2025 feiert Österreich 30 Jahre EU-Mitgliedschaft – ein Wendepunkt für die Agrarpolitik. Mit dem Beitritt 1995 wurde das Land in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) integriert, wodurch neue Fördermöglichkeiten und Innovationspotenziale entstanden sind. 2012 initiierte die EU-Kommission die Europäische Innovationspartnerschaft für Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP-AGRI), um Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu fördern. Durch „Operationelle Gruppen“ fördert sie die Vernetzung von Landwirtinnen und Landwirten, Forschenden, Bildungs- und Beratungseinrichtungen und Unternehmen, um praxisnahe Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln.
Die „Innovation Farm“ setzt genau an diesem Punkt an: Sie fungiert als eine Plattform, die technologische Entwicklungen für die Landwirtschaft sichtbar und anwendbar macht und ist ein Leuchtturmprojekt für die Digitalisierung in der österreichischen Landwirtschaft. Ziel der Innovation Farm ist es, neue Technologien für die Landwirtschaft zu demonstrieren und den Zugang zu diesen Innovationen für Landwirt:innen zu erleichtern.
Wir haben mit Markus Gansberger über die Innovation Farm gesprochen und bekamen auch dank Michael Himmelfreundpointner, Landwirt des Pilotbetriebes, Einblicke, was landwirtschaftliche Betriebe zum Aufgreifen von Innovationen bringen.
Die Innovation Farm steht für praxisnahe Forschung und technologische Weiterentwicklung in der Landwirtschaft. Inwiefern hat der EU-Beitritt Österreichs 1995 dazu beigetragen, dass solche Innovationsplattformen überhaupt möglich wurden?
Mit dem EU-Beitritt Österreichs wurden, mit der Förderung der europäischen Zusammenarbeit und der Bereitstellung von kofinanzierten Fördermitteln, Rahmenbedingungen geschaffen und damit die Entstehung und erfolgreiche Entwicklung von Innovationsplattformen, wie der Innovation Farm, ermöglicht.
EIP-AGRI wurde geschaffen, um Innovationen in der Landwirtschaft durch den Austausch von Forschung und Praxis zu fördern. Wie hat dieses Netzwerk den Aufbau und die Arbeit der Innovation Farm beeinflusst und neue Wege eröffnet?
EIP-AGRI hat einen wichtigen Rahmen und Impulse für die Innovationsförderung in der Landwirtschaft geschaffen. Die Innovation Farm konnte von diesem Netzwerk in vielfältiger Weise profitieren, sei es durch konkrete Förderungen, den Zugang zu Wissen und Netzwerken oder die Bestätigung ihres praxisnahen Ansatzes. Dadurch wurden neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und neue Wege für die Forschung, Entwicklung und Verbreitung von Innovationen in der österreichischen Landwirtschaft, an denen die Innovation Farm maßgeblich beteiligt ist, geebnet.
Gibt es Projekte oder Erkenntnisse aus „Operationellen Gruppen“, die besonders prägend für die Entwicklung der Innovation Farm waren?
Die Etablierung der Innovation Farm im Jahr 2020 hat das Interesse an neuen Agrartechnologien gesteigert. Dies zeigt sich unter anderem in der starken Zunahme von Real Time Kinematic (RTK) – gestützten Lenksystemen und der Nutzung von Applikationskarten zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung. Die Zugriffszahlen bei der Erstellung und Anwendung von Düngekarten unter anderem über TerraZo (www.terrazo.at) (welches auf dem EIP-AGRI-Projekt GIS-ELA fußt) nehmen von Jahr zu Jahr stark zu. Dieser digitale Wissenstransfer mittels Applikationskarten erweist sich als zukunftsweisend und trägt maßgeblich zur Steigerung von Effizienz und Nachhaltigkeit bei. Darüber hinaus prägten die Erprobungen (in OG-Projekten) im Bereich der Hackrobotik, der In-Row-Hacktechnik und des Spot Sprayings den Einsatz neuester Technologien im zielgerichteten Pflanzenschutz.
Gibt es Best-Practice-Beispiele aus Österreich, die über die Landesgrenzen hinweg Anklang gefunden haben? Wenn ja, welche?
Ja, das gesamtheitliche Konzept der Innovation Farm selbst. Besonders hervorgehoben wird dabei stets die enge und strukturierte Zusammenarbeit des Konsortiums. Dieses umfasst Forschungs-, Beratungs-, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, die Hand in Hand mit Unternehmenspartner:innen, Fachmedien und landwirtschaftlichen Betrieben zusammenarbeiten. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der gemeinsamen Bearbeitung konkreter Use Cases. Diese Projekte sind spezifische Anwendungsfälle, die aus der Perspektive des landwirtschaftlichen Betriebs betrachtet werden und somit eine hohe Praxisrelevanz aufweisen. Dieser integrative Ansatz, der Theorie und Praxis eng verzahnt, zeigt Interesse und Zuspruch für einen erfolgreichen Wissenstransfer und die Förderung von Innovationen in der Landwirtschaft.
Herr Himmelfreundpointner, warum begegnet man in der Landwirtschaft neuen Ideen gegenüber oft mit Vorsicht – und was braucht es, damit daraus letztendlich Überzeugung und Begeisterung für Innovation entstehen?
Eine gewisse Skepsis in der Landwirtschaft gehört einfach dazu. Die Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig mit langer Tradition. Innovation bedeutet immer, dass sich etwas verändert und Veränderung bedeutet auch, dass es zu Beginn zu Stolpersteinen kommen kann. Was wirklich schön zu beobachten ist: Wenn die anfänglichen Hürden erst einmal genommen sind und der Nutzen einer Innovation sichtbar wird, dann springt der Funke oft über – andere Landwirtinnen und Landwirte lassen sich davon anstecken und probieren es selbst aus.
Mut heißt, Neues auszuprobieren – und genau das ist entscheidend, um Fortschritte zu machen und weiterzukommen.
Herr Gansberger, welche Technologien werden derzeit durch die Innovation Farm getestet, und welche weiteren Maßnahmen wären notwendig, um deren Implementierung noch weiter in die Breite zu bringen?
Die Innovation Farm erprobt derzeit ein breites Spektrum an Technologien für Stall und Feld. Dies reicht von einfachen Nachrüstlösungen und Apps bis hin zu hochentwickelten Systemen wie KI-basierten Prognosemodellen im Pflanzenbau und autonomen Feldrobotern. Für eine breite Implementierung in der vielfältigen österreichischen Landwirtschaft ist es entscheidend, über die reine Technologie hinaus klare Erkenntnisse zu gewinnen, unter welchen spezifischen betrieblichen Rahmenbedingungen (zum Beispiel Pflanzenbestand, Betriebsform, Größe) sich der Einsatz der jeweiligen Lösung lohnt. Um dies zu erreichen, sind vielfältige, auf unterschiedliche Betriebsstrukturen zugeschnittene Lösungen erforderlich.
Welche Trends und Forschungsschwerpunkte sind für die Zukunft der Innovation Farm entscheidend, und welche mutigen Schritte sind nötig, um die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen?
Für die zukünftige Ausrichtung werden mehrere Trends und Forschungsschwerpunkte entscheidend sein, um eine robuste und smarte Landwirtschaft zu fördern, die sowohl konventionelle als auch biologische Wirtschaftsweisen berücksichtigt. Die Implementierung von Sensorik, Datenanalyse, Robotik und künstlicher Intelligenz wird neue Möglichkeiten eröffnen und die Bewirtschaftung revolutionieren. Dabei ist es unerlässlich, die Erforschung, Entwicklung und Erprobung dieser Technologien in engem Kontakt mit den landwirtschaftlichen Betrieben zu gestalten, um sicherzustellen, dass die Innovationen nicht nur fortschrittlich, sondern auch praxistauglich, kosteneffizient und interoperabel sind. Die zunehmende Vernetzung in der Landwirtschaft erfordert zudem eine intensivere und vernetztere Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure.
Im Netzwerk haben wir heuer das Jahresthema „Mut schafft Zukunft“ gewählt. Wenn Sie an die Innovation Farm denken, wo ist das Thema Mut besonders entscheidend?
Es braucht Mut, unbekanntes Terrain zu betreten. Es erfordert Investitionen – in Zeit, Ressourcen und Know-how. Es erfordert Mut, sich zu öffnen, Wissen zu teilen und gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren neue Wege zu gehen.
Die Innovation Farm möchte ein lebendiges Beispiel sein und dazu ermutigen, die Zukunft der Landschaft gemeinsam zu gestalten. Sie bietet den Raum und die Infrastruktur, um neue Lösungen zu erarbeiten, zu erproben, aufzuzeigen und weiterzuentwickeln, welche in der Folge Schritt für Schritt auf den heimischen, bäuerlichen Betrieben ihre Anwendung finden.
Mut zum Austausch, Mut zur Kooperation, Mut zur Veränderung!
Interview: Netzwerk Zukunftsraum Land/ Celina Lutter, Stephanie Topf