Ammosafe - Emissionsarme Düngung durch Nährstoffrückgewinnung

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10.06.2022

Aufgrund der steigenden Umweltschutzanforderungen an die Landwirtinnen und Landwirte braucht es neue Lösungsansätze, die über das bisherige Maß hinausgehen. Eine spezielle Herausforderung ist dabei die gemäß NEC-Richtlinie geforderte Reduktion der Ammoniakemissionen (NEC-Richtlinie = Richtlinie über nationale Höchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe).

Zusätzlich sind unangenehme Gerüche zu beseitigen, um die soziale Verträglichkeit der Güllewirtschaft zu verbessern. Das EIP-AGRI Projekt Ammosafe, welches vom Bund, den Ländern und der Europäischen Union gefördert wird, wurde im Jahr 2019 gestartet und könnte in diesem Zusammenhang zukunftsweisend sein.  

Im Zuge des Projektes wurde von innovationsfreudigen Landwirtinnen und Landwirten in Zusammenarbeit der Landwirtschaftskammer Steiermark, der Bauer GmbH und der Technischen Universität Graz eine mobile Gülleaufbereitungsanlage entwickelt, die es ermöglicht den Ammoniumstickstoff aus der Gülle zu entfernen, so dass sie nach der Aufbereitung fast nur noch organisch gebundenen Stickstoff enthält. Das hilft, Stickstoff und Geruchsemissionen während der Ausbringung zu reduzieren und die Nährstoffeffizienz auf den Betrieben zu verbessern. Der entfernte Stickstoff kann hochkonzentriert gelagert und zur Zeit des größten Bedarfes ausgebracht werden. Die erwartete Verminderung der Stickstoffeinträge in das Grundwasser soll durch Düngungsversuche, installierte Saugkerzen sowie Bodenfeuchtesensoren bestätigt werden. Darüber hinaus werden die zeitlich bedingten stofflichen Veränderungen sowie die Geruchsbelastung der behandelten Güllen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der R„aumberg-Gumpenstein Research and Development" gemessen und beobachtet.

Grundsätzlich soll die entwickelte Aufbereitungsanlage die Umweltverträglichkeit sowie die Wirtschaftsdüngerlogistik auf den Betrieben verbessern. Die Anforderungen in den Bereichen Grundwasserschutz, Luftreinhaltung, Bodenschutz und Sozialverträglichkeit müssen erfüllt werden. Die Anwendbarkeit soll dabei aber nicht nur auf Österreich beschränkt werden, sondern auch international gegeben sein.

Funktionsweise der Anlage:

Die Gülle wird im ersten Arbeitsschritt durch eine Schneckenpresse separiert. Dadurch entstehen eine Flüssig- und eine Festphase. Die Flüssigphase wird weiter in die Aufbereitungsanlage gepumpt. Hier wird sie auf circa 60 Grad Celsius erhitzt und gleichzeitig mit Branntkalk vermengt, um die notwendige pH-Wert Erhöhung auf mindestens pH 12 zu erreichen. Dadurch wird der leicht lösliche Ammoniumstickstoff zu Ammoniak umgewandelt und gast aus der Gülle aus. Dieses Gas wird dann in der Anlage weiterbefördert und schlussendlich mit Schwefelsäure behandelt (gestrippt), womit der Stickstoff als Ammoniumsulfat gebunden wird. 

Aktuell werden die sozioökonomischen Potenziale der entwickelten Aufbereitungsanlage vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur (BOKU) untersucht, denn die Wirtschaftlichkeit ist ein entscheidender Faktor für die landwirtschaftlichen Betriebe. 

Die Projektergebnisse sollen im Zuge eines Endberichts und einer Broschüre für Praktikerinnen und Praktiker der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Wenn es die Rahmenbedingungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zulassen, ist auch eine Abschlusstagung geplant.

Netzwerk Zukunftsraum Land hat mit dem Projektkoordinator der Landwirtschaftskammer Steiermark Herrn Christian Werni sowie dem Landwirt Gottfried Loibner über ihre Erfahrungen und erste Projektergebnisse gesprochen.


Herr Werni, welchen Problemstellungen stehen Landwirtinnen und Landwirte  in Bezug auf die Gülleaufbereitung aktuell gegenüber?

Aufgrund der aktuellen Preisentwicklung am Düngemittelmarkt ist die Steigerung von Effektivität und Effizienz der Wirtschaftsdüngeranwendung dringend geboten. Dem Rückgang des Stickstoffangebots kann durch eine Optimierung von innerbetrieblichen Nährstoffkreisläufen entgegengewirkt werden. Landwirtinnen und Landwirte werden ständig mit neuen Umweltschutzanforderungen konfrontiert und vor immer größere Herausforderungen gestellt. Deshalb sind neue Lösungswege dringend notwendig. Darüber hinaus ist die aufbereitete Gülle beinahe geruchsneutral. Dies kann zu einer verbesserten sozialen Verträglichkeit der Güllewirtschaft führen.


Worin sehen Sie konkretes Potenzial für die Gülleaufbereitung?

Grundsätzlich soll die entwickelte mobile Aufbereitungsanlange die Umweltverträglichkeit sowie die Wirtschaftsdüngerlogistik auf den Betrieben verbessern und bietet folgende Potentiale:  

  • Steigerung der Umweltverträglichkeit der Güllewirtschaft (Verminderung der Emissionen in Grundwasser und Luft im Vergleich zu unbehandelter Gülle)
  • Erhöhung der Nährstoffeffizienz am landwirtschaftlichen Betrieb (Schonung natürlicher Ressourcen)
  • größere zeitliche Flexibilität bei der Ausbringung der Gülle (Minderung von Arbeitsspitzen, bodenschonenderes Arbeiten)
  • bestehende Lagerkapazitäten müssen nicht erweitert werden

Sie koordinieren das Projekt „Ammosafe“. Welche wesentlichen Erkenntnisse oder Empfehlungen aus dem Projekt können Sie bereits ableiten? Welche Schritte sollten unternommen werden, um die Gülleaufbereitung weiter zu etablieren? 

Die ersten Schritte wurden bereits mit der Initialisierung dieses Projektes gesetzt. Die Funktion der Anlage konnte bestätigt werden (Entfernungsraten des Ammoniumstickstoffs über 90 %). Aus pflanzenbaulicher Sicht waren die Ergebnisse der Düngungsversuche durchwegs positiv. Die erwartete Verminderung der Stickstoffeinträge in das Grundwasser deutet sich bereits in den Auswertungen der Wasserproben an. Auch die deutliche Geruchsreduktion der aufbereiteten Güllen konnte bestätigt werden. 

Herr Loibner, Sie setzen mit der Operationellen Gruppe ,,Ammosafe‘‘ gemeinsam das gleichnamige EIP-AGRI Projekt um. Was würden Sie als aktiver Landwirt im Projekt schon jetzt anderen Landwirtinnen und Landwirten raten?

Der Grundgedanke dieses Projektes ist es, die Ausbringungszeit der Gülle auf den Äckern nicht nur auf das Frühjahr zu beschränken, sondern auch zu anderen Zeitpunkten zu ermöglichen, ohne dass man dabei mit empfindlichen Nährstoffverlusten rechnen muss oder mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Dieses Projekt ist der Anfang eines Prozesses, in dem noch viele Ideen Platz haben.

Was können Sie sich schon jetzt aus dem Projekt mitnehmen? Was werden Sie beibehalten?

Dieses Projekt hat wieder bestätigt, dass Gülle keinesfalls ein Abfallprodukt ist, sondern ein wertvoller Bestandteil im landwirtschaftlichen Nährstoffkreislauf. Die Gülle ist ein Mehrnährstoffdünger und in der jetzigen Düngemittelpreissituation umso bedeutender. Es hat sich gezeigt, dass die Ausbringungsgenauigkeit ein wichtiger Bestandteil des Güllemanagements ist. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist die genaue Kenntnis der Inhaltsstoffe in der Gülle, weil nur dann die benötigten Nährstoffmengen ausgebracht werden können. Das Projekt hat bewiesen, dass Gülleaufbereitung funktioniert! 

Wie sind Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft und worin sehen Sie die größten Vorteile dieser Zusammenarbeit?

Es ist für mich ein wesentlicher Bestandteil in solchen Projekten mitzuarbeiten. Ammosafe ist bereits mein zweites EIP-AGRI-Projekt, an dem ich mitwirken darf. Ich konnte schon bei „Innobrotics – Strategien zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers“ meine praktischen Ideen miteinbringen. So kann sichergestellt werden, dass einerseits die Landwirtinnen und Landwirte profitieren und andererseits die gesellschaftliche Akzeptanz für die Landwirtschaft gesteigert wird. EIP-AGRI bringt Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen auf wertschätzender Ebene zusammen um neue Lösungswege auf wissenschaftlichen Grundlagen zu etablieren. 

Links und weiterführende Informationen zum gegenständlichen Projekt finden Sie in der Projektdatenbank von Netzwerk Zukunftsraum Land.