PREMIERE – Ein Projekt zur Förderung des Multi-Akteurs-Ansatzes in der Land- und Forstwirtschaft
Dürfen wir vorstellen?
PREMIERE ist ein EU-gefördertes Projekt (Horizon Europe), das den Multi-Akteurs-Ansatz (MAA) im Agrar- und Ernährungssektor stärkt. Ziel ist es, Akteur:innen aus Forschung, Politik und Praxis besser zu vernetzen, um Innovationen in der Land- und Forstwirtschaft zu fördern. PREMIERE unterstützt unter anderem die Entwicklung von Projektvorschlägen und politischen Maßnahmen wie den EIP-AGRI Operational Groups (OGs) – Kooperationen zwischen Landwirt:innen, Forschung, Beratung und Wirtschaft. Allein in Österreich sind seit 2014 39 OGs aktiv.
Wir haben mit Dr. Shane Conway von der University of Galway gesprochen. Er ist Mitentwickler der Stakeholder-Strategie von PREMIERE und forscht zu ländlicher Entwicklung und den sozialen Aspekten landwirtschaftlicher Innovation. Des weiteren durften wir uns über ein Statement von Daniel Bennet, leitender Forscher des irischen Netzwerks für den ländlichen Raum (NRN) – Pendant zum österreichischen Netzwerk Zukunftsraum Land – freuen, das eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der Ergebnisse von PREMIERE im irischen Kontext spielt.
Premiere – Ein Projekt zur Förderung des Multi-Akteurs-Ansatzes in der Land- und Forstwirtschaft
Das EU-geförderte Horizon Europe-Projekt PREMIERE hat sich zum Ziel gesetzt, den Multi-Akteurs-Ansatz (MAA) in der Land- und Forstwirtschaft sowie in ländlichen Gemeinden zu stärken. Das Projekt, koordiniert von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), vereint 15 Partnerinnen und Partner aus zwölf europäischen Ländern, darunter die Universität Galway, Irland. Im Gespräch mit Dr. Shane Conway erhielten wir Einblicke in die Herausforderungen und Lösungen, denen PREMIERE im Rahmen des Wissensaustauschs und der digitalen Transformation begegnet ist.
Was sind die größten Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung des Multi-Akteurs-Ansatzes (MAA) in der Land- und Forstwirtschaft und verwandten Sektoren?
Eine der zentralen Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung des MAA ist die Überwindung der Kluft zwischen Forschung, Politik und Praxis. Die wirksame Umsetzung von Innovationen vor Ort hängt von verschiedenen Faktoren ab. Beispielsweise das stillschweigende, erfahrungsbasierte Wissen von Land- und Forstwirt:innen, Beraterinnen und Beratern sowie von ländlichen Gemeinschaften, das sich über Generationen entwickelt hat und an die spezifischen lokalen Gegebenheiten angepasst ist, respektiert und integriert wird. Leider werden diese oft nicht als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner im Innovationsprozess anerkannt. Besonders hinderlich sind auch Machtungleichgewichte und Unterschiede in der Kommunikation zwischen den Beteiligten. Die Lösung liegt in integrativen und partizipativen Engagement Prozessen, die gegenseitiges Vertrauen aufbauen und den Wissensaustausch fördern.
Wie gelingt es dem PREMIERE-Projekt, schwer erreichbare Gruppen wie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern oder ländliche Gemeinden in den Innovationsprozess einzubinden?
Das PREMIERE-Projekt legt großen Wert darauf, dass kleine landwirtschaftliche Betriebe, Forstwirtinnen und Forstwirte sowie Akteurinnen und Akteure des ländlichen Raums, die in EU-Innovationsinitiativen häufig unterrepräsentiert sind, nicht nur einbezogen, sondern ein zentraler Teil des gesamten Innovationsprozesses werden. Diese Akteurinnen und Akteure haben oft keinen Zugang zu formalen Forschungsnetzwerken und politischen Foren, besitzen jedoch wertvolles praktisches Wissen. Mit diesem Projekt wird über die reine Konsultation hinaus eine echte Mitgestaltung von Projekten ermöglicht, was Vertrauen schafft und sicherstellt, dass Innovationen den lokalen Bedürfnissen entsprechen.
Haben Sie eine ganz praktische Empfehlung für künftige EIP-AGRI-Projekte, wie lokales, implizites Wissen ins Projekt geholt werden kann?
Ja, künftige EIP-AGRI-Projekte sollten sich einem partizipativen Bottom-up-Modell der Zusammenarbeit mit Land- und Forstwirt:innen als gleichberechtigte Innovationspartner:innen orientieren. Die Nutzung ihres stillen Wissens, das tief in der gelebten Erfahrung verwurzelt ist, erfordert mehr als nur einmalige Konsultationen; sie erfordert einen strukturierten, respektvollen Dialog und gemeinsame Gestaltung. Es gilt, Formate wie Living Labs oder Peer-to-Peer-Learning-Initiativen zu nutzen, die einen kontinuierlichen Dialog und praktisches Lernen fördern. Dabei ist es wichtig, den spezifischen Kontext jedes Betriebs zu berücksichtigen, um Lösungen zu entwickeln, die sowohl technisch als auch sozial und ökologisch angemessen sind.
Können Sie uns einen Einblick in die 5-Schritte-Strategie von PREMIERE zur Einbindung von Stakeholdern geben? Was macht diesen Ansatz besonders effektiv?
Die von den Partnerinnen und Partnern des PREMIERE-Projekts gemeinsam erarbeitete Strategie zur Einbeziehung mehrerer Akteurinnen und Akteure soll den Multi-Actor Approach (MAA) auf praktische und sinnvolle Weise umsetzen. Wichtig ist, dass es sich dabei nicht um ein „Einheitsmodell“ handelt.
Die Strategie wurde entwickelt, um einen klaren und dennoch anpassungsfähigen Rahmen für ein inklusives Engagement verschiedener Interessengruppen in der Land- und Forstwirtschaft und verwandten Sektoren zu bieten – insbesondere im Zusammenhang mit der Entwicklung von Vorschlägen für Horizon Europe mit mehreren Akteurinnen und Akteuren:
- Stakeholder-Mapping: Identifizierung relevanter Akteurinnen und Akteure aus allen Bereichen der Gesellschaft.
- Analyse von Interessen und Einfluss: Verstehen der Motivationen und Beiträge der Stakeholder.
- Maßgeschneiderte Engagementansätze: Auswahl geeigneter Methoden, um Stakeholder je nach Bedarf zu integrieren.
- Ko-Kreation auf mehreren Ebenen: Förderung der Beteiligung auf lokaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene.
- Wirkungsüberwachung und Feedback-Schleifen: kontinuierliche Anpassung der Strategie basierend auf Feedback.
Diese Strategie ermöglicht eine echte Zusammenarbeit und sorgt dafür, dass alle Stimmen während des gesamten Innovationsprozesses gehört und berücksichtigt werden.
Welche Rolle spielt das Irische Nationale Netzwerk für den ländlichen Raum (NRN) bei der Förderung von Multi-Akteurs-Projekten?
„Das irische GAP-Netzwerk spielt eine Schlüsselrolle bei der Erleichterung des Wissensaustauschs und der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Politik, Forschung und Praxis im Rahmen von Multi-Akteurs-Projekten. Es erleichtert den Wissensaustausch und unterstützt die Bildung von Operationellen Gruppen (OGs) im Rahmen von EIP-AGRI und trägt maßgeblich dazu bei, kleinere und unterrepräsentierte Akteurinnen und Akteure in den Innovationsprozess einzubeziehen. Beispielsweise haben wir dazu im Rahmen der Aktivitäten des CAP Network Ireland im Bereich Innovation Hub ein EIP-Agri-Wissenstransfer-Pilotprojekt durchgeführt, das darauf abzielt, innovatives Wissen aus früheren OGs zu beschaffen und mit wichtigen Interessengruppen zu teilen, um die Übernahme und Anwendung zu fördern. Wenn mehr EIP-AGRI OG-Projekte in ganz Irland starten, werden wir daran arbeiten, deren Ziele und Ergebnisse durch die Erstellung von Fallstudien in schriftlicher Form und als Video sowie durch die Teilnahme an lokalen und nationalen Veranstaltungen zu fördern”, so Daniel Bennet.
Welche langfristigen Auswirkungen erhoffen Sie sich vom Projekt PREMIERE Horizon Europe auf die europäische Agrarpolitik und die Innovationslandschaft im ländlichen Raum?
Mit PREMIERE soll die Art und Weise, wie Innovationen in der Land- und Forstwirtschaft und im ländlichen Raum in Europa entwickelt und gemeinsam genutzt werden, neugestaltet werden. Langfristiges Ziel ist es, integrative, gemeinsam geschaffene Innovationen in EU-finanzierten Projekten zur Regel und nicht zur Ausnahme zu machen.
Ein Interview von Netzwerk Zukunftsraum Land/ Elisabeth Gumpenberger, Stephanie Topf